Gaskrise: Kanada lässt Europa im Stich – aus Rücksicht auf den Klimaschutz
So verrückt ist die Klimapolitik: Europa könnte zurzeit Flüssig-Erdgas (LNG) aus Kanada sehr gut gebrauchen. Die Schiffsroute für den Transport nach Deutschland ist wesentlich kürzer als jene aus Katar. Doch Kanada will trotz der Gasnöte keine Terminals dafür bauen. Der Klimaschutz hat Vorrang.
Das hat sich Europa anders vorgestellt: Als die EU mit anderen Staaten Sanktionen gegen Russland verhängt hat, rechnete sie fix mit mehr Erdgas aus den USA und aus Kanada. Schließlich war eine Drosselung der Gas-Lieferungen aus Moskau bereits absehbar, gleichzeitig wollte Europa unabhängiger von Russland werden. Doch es kam anders. Vor allem Kanada, einer der größten Erdgasproduzenten der Welt, lässt Europa komplett im Stich. Um LNG nach Europa zu schiffen, müssten an Kanadas Ostküste LNG-Terminals errichtet werden. Aber die dortigen Provinzen legen sich quer.
Lieferungen nach Asien und in die USA, aber nicht nach Europa
Zurzeit beliefern Kanadas westliche Provinzen British Columbia, Alberta und Saskatchewan den asiatischen Markt. Darüber hinaus fließt von dort Gas über Pipelines in die USA und weiter in den Osten Kanadas. Für einen Transport nach Europa fehlen an der Ostküste aber die Terminals – und das soll auch so bleiben, wie kanadische Politiker ausgerechnet jetzt beschlossen haben. Damit lässt sich Kanada inmitten der Gaskrise eine riesige Chance entgehen und Europa im Stich. Beispielhaft ist das Verhalten der Provinz Québec.
Im Sommer 2021, knapp acht Monate vor der Ukraine-Invasion, beschloss die Regierung von Québec, ihre CO2-Emissionen mit kohlenstoffarmen Energiequellen zu verringern. Also verweigerte sie die Genehmigung für das 14 Milliarden Dollar teure Exportprojekt Energie Saguenay LNG. Es hätte Erdgas aus dem Westen Kanadas zu einem Verflüssigungs- und Exportterminal in Saguenay in Québec transportieren sollen. Dafür wäre eine neue, 780 Kilometer lange Gaspipeline aus dem Norden Ontarios erforderlich gewesen.
Europas selbstverschuldete Energiekrise
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Francois Legault, der Premierminister von Québec, hatte das Projekt ursprünglich unterstützt, doch dann änderte er seine Meinung. Ein Grund dafür war ein Anstieg der Emissionen in Kanada zwecks Lieferung des Gases. Ein weiterer war die lokale Opposition, darunter eine politisch aktive und lautstarke Gruppe von Umweltschützern.
Die globalen Folgen für den Klimaschutz wären positiv
Völlig ausgeblendet hat Québec die positiven Auswirkungen des Projekts auf die globalen Emissionen. Dass dieses Flüssiggas Kohle ersetzen würde und dass Flüssiggas sauberer ist als andere Quellen, blieb unberücksichtigt. Darüber hinaus wären im Vergleich zu einem ähnlichen Projekt in den USA die Treibhausgasemissionen um 84 Prozent geringer gewesen, dank der Nutzung von Wasserkraft zur Energieerzeugung.
Die Errichtung der LNG-Terminals würde eineinhalb Jahren benötigen. Hätte man mit ihrem Bau im Winter 2021 begonnen – damals plante EU-Präsidentin Ursula von der Leyen bereits Sanktionen gegen Moskau – würden die Terminals heuer im Sommer fertig werden. Von da an könnte Kanada Europa zuerst mit MNG (Monetizing Natural Gas), und ein paar Jahre später mit LNG versorgen. Nichts dergleichen ist seither geschehen. Im Gegenteil.
Was für eine Politik: Als gebe es keinen Krieg in der Ukraine
Auch nach der Ukraine-Invasion änderte Québec seine Pläne nicht. Am 8. Februar, 16 Tage bevor russische Truppen in der Ukraine einmarschiert sind, hat die Regierung ihre Entscheidung, auf das Terminal zu verzichten, abgesegnet. Damit noch nicht genug: Québec beschloss auch noch Erdöl- und Erdgasförderungen zu verbieten. Alle bestehenden Lizenzen und Genehmigungen wurden daher annulliert. Das entsprechende Gesetz trat am 14. April 2022 in Kraft. Am nächsten Tag berichtete CTV News: „Québec wurde am Dienstag zum ersten Staat der Welt, der nach jahrzehntelangen Kampagnen von Umweltorganisationen und Bürgergruppen die Erschließung von Öl- und Gasvorkommen auf seinem Gebiet ausdrücklich verbietet.“
Dies alles geschah sieben Wochen nach der russischen Invasion – ohne Rücksicht auf die sich bereits abzeichnende Energiekrise mit besonders schweren Konsequenzen für Europa. Dabei hatte Kanada am 24. März, einen Monat nach der Ukraine-Invasion, an einem Treffen mit der Internationalen Energieagentur teilgenommen und dort versprochen: Man werde Europa dabei helfen, die russischen Lieferungen von Kohle, Öl und Erdgas zu ersetzen. Kanadas Minister für natürliche Ressourcen, Jonathan Wilkinson, erklärte: Kanadas Öl- und Gasproduzenten können ihre Produktion bis Ende 2022 um umgerechnet 300.000 Barrel pro Tag erhöhen. Daher „überprüft Kanada Möglichkeiten, um russisches Gas durch LNG aus Kanada zu ersetzen, nachdem europäische Länder darum gebeten hatten.“
Es blieb bei dieser Ankündigung. Europa hat sich in Kanada nichts außer kalte Füße geholt.
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