Geld drucken gegen den Klimawandel: die neue grüne Geldpolitik der EZB
Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte bald eine Art Klimaschutz-Behörde werden. Beim fortgesetzten Ankauf von Unternehmensanleihen will sie nämlich klimaschützende Projekte bevorzugen. Diese Neuaufstellung der Geldpolitik ist hochumstritten.
Abgesehen von einer Aufweichung des Inflationsziels – genau zwei Prozent, statt nahe bei zwei Prozent – ändert die EZB ihre Geldpolitik noch in anderer Hinsicht, und zwar weitreichend: Künftig will sie beim Gelddrucken aufs Klima achten. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat sich das Thema auf die Fahnen geschrieben. Seit Beginn ihrer Präsidentschaft regt sie an: Die EZB solle im Zuge des wieder aufgenommenen Anleihekaufprogramms bevorzugt grüne Anleihen kaufen. Das sind Wertpapiere, die umwelt- oder klimaschützende Investitionsprojekte finanzieren.
Eben das wurde nun vom EZB-Rat beschlossen: Von einem “umfassenden Aktionsplan” ist die Rede “zur weiteren Einbeziehung von Klimaschutzüberlegungen”. Beim fortgesetzten Kauf von Unternehmensanleihen werde man “relevante Risiken des Klimawandels” berücksichtigen, oder besser gesagt: Man hat bereits damit begonnen. Die NGO Greenpeace fordert schon seit längerem eine Bestrafung “klimaschädlicher Unternehmen”. Bei den milliardenschweren Anleihekäufen sollten diese “nicht weiter begünstigt werden”.
Star-Ökonom Hans-Wener Sinn: Ökologische Geldpolitik verringert das Wirtschaftswachstum
Die Einleitung einer grünen Geldpolitik kommt nicht überraschend. Sie hat sich mit dem Beginn Lagardes EZB-Präsidentschaft bereits angekündigt. Der deutsche Top-Ökonom Hans-Werner Sinn warnte schon im August vor einer Schwächung der Wirtschaft in der Eurozone durch genau solche Klimaschutzmaßnahmen. “Wenn die EZB Geschäftsbanken jetzt nach ökologischen Kriterien Geld leihen will, die das Geld an Kunden mit ähnlichen Vorstellungen weiterreichen, dann resultieren daraus unmittelbare Wachstumsverluste”, erklärte der ehemalige Leiter des Münchner Ifo-Instituts gegenüber der Tageszeitung “Welt”.
Durch solche politisch motivierte Maßnahmen wird der Prozess des Kapitalmarkts gestört, zum Schaden für das gemeinsame Sozialprodukt. Durch den Kapitalmarkt wird das über Generationen mühsam akkumulierte Sparkapital auf alternative Verwendungen aufgeteilt, und zwar durch die Eigentümer. Dadurch werde das gemeinsame Sozialprodukt maximiert, sagt Sinn. Doch nun werde dieser Prozess gestört: Das Kapital wird aus politischen Klimaschutz-Gründen anders umgelenkt und das mindere das Wachstum.
Ifo-Leiter Clemens Fuest: Kampf gegen Klimaerwärmung nicht Aufgabe der Geldpolitik
Wenig kann der Idee einer grünen Geldpolitik auch Sinns Nachfolger am Ifo-Institut Clemens Fuest abgewinnen. “Es besteht die Gefahr, dass daraus eine insgesamt inkonsistente Politik entsteht”, sagt der Ökonom. Die Verantwortungsbereiche müssten klar abgegrenzt werden. Die Geldpolitik sollte nicht in die Bekämpfung der Klimaerwärmung einsteigen.
Tatsächlich hat die EZB die Aufgabe für stabile Preise zu sorgen. In den Verträgen von Maastrich war von einer Geldpolitik zur Schonung des Klimas nirgendwo die Rede. Daher bezweifeln einige Beobachter, ob das Mandat der EZB einen geldpolitischen Kampf gegen den Klimawandel überhaupt gestattet. Allerdings hat die EU ihre Verträge schon in der Vergangenheit, ab der Finanzkrise, mehrfach gebrochen. Niemand weiß das besser, als Lagarde selbst. Im Jahr 2010, damals noch unter Nicolas Sarkozy französische Finanz- und Wirtschaftsministerin, erklärte sie offen auf dem Höhepunkt der Euro-Krise: “Wir haben alle Regeln gebrochen, weil wir zusammenhalten und die Eurozone retten wollten.”
Permanenter Regelbruch plus Machtausweitung des EZB-Präsidenten ohne demokratische Kontrolle
Schon seit längerem macht die EZB kein Hehl mehr daraus, mit ihrer kreativen Geldpolitik den Rahmen und die Zielsetzungen des Maastrichter Vertrags verlassen zu haben. Im Februar 2019 verteidigte Lagardes Vorgänger Mario Draghi in einer Rede an der Universität Bologna ausdrücklich das Recht der EZB, ohne demokratische Kontrolle durchzuregieren. Die EZB habe nur deshalb die Euro-Krise bewältigen können, weil sie dank weitreichender Entscheidungsbefugnis zuvor nicht erprobte Instrumente habe ausprobieren können. Die bisherigen festen Regeln dürften ihr nicht im Wege stehen.
Der permanente Regelbruch durch die EZB kombiniert mit einer ungeheuren Ausweitung der Machtfülle des EZB-Präsidenten, und das alles bar jeder demokratischen Kontrolle, treibt vielen Beobachten Sorgenfalten auf die Stirn. “Die EZB hat aufgrund ihrer ausufernden Entscheidungen eine Machtfülle zusammengesammelt, die durch die Maastrichter Verträge nicht einmal ansatzweise vorgesehen war”, stellte Hans-Werner Sinn schon vor Jahren fest. “Damit ist plötzlich an der Spitze der EZB eine Art von legitimem Diktator entstanden, der über sehr viele finanzielle Ressourcen verfügt und Mittel zwischen Ländern hin- und herschieben kann.”
Ökonom Gunther Schnabl: Lagardes Geldpolitik schadet eher dem Klima
Doch auch die ökologische Sinnhaftigkeit der neuen Maßnahmen wird bezweifelt. Der Ökonom Gunther Schnabl von der Universität Leipzig etwa denkt nicht, dass die von Christine Lagarde verfolgte Strategie eine klimaschonendere Geldpolitik einleiten werde. Im Gegenteil: Gerade die lockere Geldpolitik der vergangenen Jahre sei besonders klimaschädlich, und genau die will Lagarde – auch mit Hilfe des gelockerten Inflationsziels – fortsetzen. “Und wenn die Lockerung durch den Ankauf grüner Anleihen noch weiter getrieben wird, könnte sich dieser Schaden weiter erhöhen”, unterstreicht Schnabl in der Tageszeitung “Welt”.
Erstens hätten die niedrige Zinsen immer wieder zu Übertreibungen auf den Immobilienmärkten geführt. Schnabl erinnert an das starke Ansteigen der Immobilienpreise in der südlichen Eurozone zwischen 2001 und 2007. “Dies hat eine rege Bautätigkeit ausgelöst, in deren Verlauf große Überkapazitäten geschaffen wurden. Mit dem Platzen der Blasen wurden viele Bauprojekte abgebrochen. Leerstand und Bauruinen waren die Folge.” Zweitens haben die Zinssenkungen starke Kapitalzuflüsse nach China ausgelöst, die zum Aufbau zusätzlicher Produktionskapazitäten in der chinesischen Industrie genutzt wurden. “Da rund 60 Prozent des chinesischen CO2-Ausstoßes aus der Industrie kommen, beschleunigte sich auch die CO2-Emission um durchschnittlich 5,5 Prozent pro Jahr.” Drittens steige mit Zinssenkungen gegen null oder sogar ins Negative der Anreiz zu mehr Konsum., jener zum Sparen sinkt hingegen.
"Greenwashing": Dank EZB könnten Investitionsprojekte erst einen grünen Anstrich erhalten
Schnabl hält fest: “Wenn die EZB grüne Anleihen kauft, ist noch lange nicht der Beweis erbracht, dass damit auch Umwelt und Klima geschützt werden. Es besteht die Gefahr des ‘Greenwashing’: Investitionsprojekten könnte ein grüner Anstrich gegeben werden, um billige oder sogar negativ verzinste Kredite zu erhalten.”
Um tatsächlich festzustellen, welche Unternehmen als klimaschonend eingestuft werden und welche nicht, könnte die EZB bald eine eigene Behörde einrichten, mit der sie ihre grüne Geldpolitik rechtfertigen kann. Dadurch würde die EZB auch noch zu einer Klimaschutzbehörde. Doch damit wäre womöglich noch immer nicht Schluss. Gut möglich, dass die EZB eines Tages, in gar nicht so ferner Zukunft, auch noch für andere politische Pläne eingespannt wird, sobald diese als dringlicher erscheinen als der Klimaschutz.
Kommentare