Handelsverband-Chef: Kostenlawine und Fachkräftemangel erschwert Handel Comeback
Der österreichische Handel kommt nur stolpernd wieder in die Gänge. Neben der massiven Teuerung ist auch ein eklatanter Fachkräftemangel sowie unflexible Öffnungszeiten ein Problemfür die Betreiber.
Im Rahmen einer Pressekonferenz berichteten Wirtschaftstreibende, allen voran der Handelsobmann Rainer Will, heute über die Lage des Handels. Große Sorge machen den Wirtschaftstreibenden unflexibel Arbeitszeiten, die Teuerung und der Fachkräftemangel.
Reales Minus von 1 Prozent
2022 konnten die heimischen Einzelhändler laut WIFO-Prognose einen Umsatz von 72,5 Milliarden Euro erwirtschaften. Das ist eine Steigerung von 6,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bereinigt man die Daten allerdings um die durchschnittlichen Preissteigerungen, musste der österreichische Einzelhandel real ein Umsatzminus von -1 Prozent verkraften – und dies im Vergleich zum sowieso holprigen Pandemiejahr 2021.
Die Zuwächse 2022 wurden also komplett von der Teuerung aufgezehrt, insgesamt bleiben die Handelsumsätze weiterhin deutlich hinter dem Vorkrisenniveau 2019. Und: Erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt hat sogar der Onlinehandel ein reales Umsatzminus von -3% eingefahren.
Händler wünschen sich flexible Öffnungszeiten
Um Energiekosten zu sparen und weil das Personal ohnehin knapp ist, schließen immer mehr Händler früher. Auch die Kundenfrequenz sei seit Corona und vermehrtem Homeoffice zurückgegangen: “Der Kunde hat sich verändert, längere Öffnungszeiten sind schwierig”, sagte Kastner & Öhler-Chef Martin Wäg am Donnerstag bei einem Pressegespräch. Von Einkaufszentrumsbetreibern wünschen sich Händler wie Kastner & Öhler, Fussl Modestraße oder Dorotheum mehr Flexibilität.
In Einkaufszentren, die teils bis 21 Uhr geöffnet haben, gibt es für die Firmen eine Betriebspflicht. “Manche Centerbetreiber wollen uns kürzere Öffnungszeiten nicht zugestehen”, sagte Ernst Mayr, Geschäftsführer der Fussl Modestraße. Es werde auch zunehmend schwieriger, den Beschäftigen klarzumachen, warum sie bis 21 Uhr anwesend sein müssen, wenn keine Kunden kommen, räumte Karin Saey, Leiterin des Bereichs Handel beim Auktionshaus Dorotheum, ein.
An manchen Standorten abseits der Einkaufszentren haben Dorotheum, Kastner & Öhler sowie Fussl Modestraße bereits an den Öffnungszeiten gedreht und schließen nun eine halbe Stunde oder Stunde früher. Auch bei MediaMarkt kann man sich kürzere Öffnungszeiten vorstellen, wenn es Sinn macht. “Das muss man sich von Standort zu Standort ansehen”, so Chef Alpay Güner. An Samstagen wiederum wünscht sich Güner längere Öffnungszeiten, bis 19 Uhr statt bis 18 Uhr.
Alle Händler kämpften derzeit mit Personalmangel, hohen Kosten und warten teils bis heute auf Coronahilfen. 2022 sei besser gelaufen als erwartet, so der Tenor der Firmen, doch 2023 werde sehr herausfordernd. Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch sprach von einem “financial Long Covid”, nach drei Pandemiejahren sei die Eigenkapitaldecke aufgezehrt. Lag die Eigenkapitalquote im Handel vor der Krise bei im Schnitt 38 Prozent, so liege sie nun zwischen 9 und 20 Prozent. “Wir tanzen hier auf dünnem Eis”, sagte Mayer-Heinisch.
Im Handel gab es zuletzt 900 Insolvenzen. Manche Firmen, wie der Schuhhändler CCC oder die Sporthandelskette XXL, ziehen sich ganz aus Österreich zurück. Andere, wie die Schuhkette Salamander, specken ab und schließen einzelne Filialen. Ersetzt werden die leerstehenden Standorte vielfach durch Gastronomiekonzepte. Mayer-Heinisch sieht das positiv. Außer Haus Essen liege im Trend und bringe auch dem Handel Frequenz.
Größtes Problem ist Personalmangel
Als großes Problem der Zukunft sehen die Betriebe den Fachkräftemangel. MediaMarkt-Chef Güner wünscht sich eine Arbeitsmarktreform mit einem System, wo sich Arbeiten lohne. Denn derzeit verdiene man vielfach mehr, wenn man nicht arbeite, so Güner. Saey vom Dorotheum plädierte für einen Rechtsanspruch auf ganztägige Kinderbetreuung. Der Handelsverband will mehr ältere Beschäftigte im Handel sehen, die dort ihr Wissen einbringen könnten. Es müsste steuerlich attraktiver sein, dass Pensionistinnen und Pensionisten wieder arbeiten, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. In Summe fehlten dem Handel 35.000 Beschäftigte. Fast jeder zweite Händler gab in einer Befragung des Handelsverbands an, einen Personalmangel zu haben.
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