IV-Experte: „Für China sind der europäische Markt und die USA wichtiger als Russland“
Der Ukraine-Krieg hat weitreichende Folgen für die Geopolitik. Dass mit Russland, China und Indien aber ein neuer Block entstanden ist, bezweifelt Michael Löwy. Der Leiter für Internationale Beziehungen & Märkte bei der Industriellenvereinigung (IV) sieht eher eine fragile Interessensallianz.
Als der UN-Sicherheitsrat Russlands „illegale Annexionen“ in der Ukraine verurteilte, enthielt sich China einer Stimme. Moskau hätte durchaus mit stärkerer Unterstützung Pekings rechnen können, mein Michael Löwy im Interview auf eXXpressTV. Doch die chinesische Volksrepublik sei mit Russlands Vorgehen in der Ukraine nicht nur einverstanden.
Indien und China wollen von den Chancen des Krieges profitieren
„China muss seine Interessen abwägen. Russland ist zum einen ein direkter Nachbar und jetzt umso mehr Rohstofflieferant“, unterstreicht er im Gespräch mit eXXpress-Redakteur Stefan Beig. „Seit dem Krieg importieren China und Indien noch mehr Gas und Öl. Wir kennen den Preis nicht – aber wahrscheinlich zu einem Vorzugspreis.“
Insofern wollen Indien und China – im Gegensatz zu Europa – „die wirtschaftlichen Chancen des Krieges für sich nützen“. Beide sind Profiteure des Rohstoffimports, doch das ändere nichts daran, dass „Russland ein relativ kleiner Markt ist. Deshalb ist für China die Vermengung mit dem europäischen Markt und mit den USA noch wichtiger.“
Beide Länder hängen auch an den internationalen Märkten
Beide Länder hängen aber auch an internationalen Märkten. Löwy würde daher im Falle von China, Indien und Russland noch nicht von einem Block sprechen, sondern eher einer Interessensallianz, die durchaus fragil ist. „Eine gewisse Homogenität entwickelt sich zurzeit aus strategischen und wirtschaftlichen Gründen.“
Dass sich andere Kontinente aus den Wirtschaftssanktionen heraushalten liege vor allem an den dortigen Interessenslagen. „Afrika hat die Sorge, ob gewisse Lebensmittel wie Weizen auch weiter einlangen.“ Deshalb verhalten sich viele Länder neutral. „Das heißt aber nicht, dass sie gutheißen, was passiert.“
Saudi-Arabien gehört eher der westlichen Allianz an
Zurzeit sind die USA verstimmt über Saudi-Arabien. Das vom Königreich dominierte Kartell OPEC+ kündigte an, die Öl-Fördermenge zu reduzieren, was Russland in die Hände spielt, heißt es. Dass sich Saudi-Arabien aber von den USA abgewandt und Russland zugewandt habe, wie einige US-Politiker meinen, bestreitet Löwy. „Saudi-Arabien folgt gewissen nationalen Interessen.“ Darüber hinaus ist für es der Iran ein Konkurrent. „Saudi-Arabien gehört eher der westlichen Allianz an, verhält sich aber neutral, schließlich ist Erdöl noch sein kostbarstes Gut.“
Was die Sanktionen betrifft, so meint Löwy, dass man sie erst einmal wirken lassen werde, um dann zu evaluieren, wie weit sie zur Beendigung des Krieges wirksam waren. Natürlich müsse Europa noch ein anderes Problem lösen: „Hohe Inflation, steigende Energie- und Rohstoffpreise: Diese Paarung ist eine große Herausforderung. Europa muss sich fragen: Wie kann ich wettbewerbsfähig bleiben?“
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