Neidvoll können Österreicher zurzeit auf die Schweiz blicken. Die dortigen 3,4 Prozent Inflation bedeuten zwar ebenfalls eine höhere Teuerungsrate als sie die Schweizer Eidgenossen gewöhnt sind, doch dieser Wert liegt immer noch deutlich unter der Inflationsrate von 8,5 Prozent in Deutschland und von 9,4 Prozent in Österreich.

Pragmaticus

Mehrere Gründe sorgen für geringere Teuerung

Auch die Eurozone und ebenso die USA leiden unter einer deutlich dramatischeren Teuerungskrise.

Wieder einmal zeigt sich der Erfolg des Schweizer Modells, zu dem eine wirtschaftsfreundliche Einstellung, interne Steuerkonkurrenz und eine harte Währung gehören. Es ist aber eine Summe an Gründen, die den Schweizern eine weit geringere Inflation beschert, als jene, unter der die Österreicher gerade leiden.

Anderer Strommarkt, andere Geldpolitik, starker Franken

Zunächst ist der Strommarkt in der Schweiz anders organisiert. Deshalb führen höhere Gaspreise nicht sofort zu höheren Strompreisen. Dieses Problem möchte Bundeskanzler Nehammer nun auf EU-Ebene lösen – der eXXpress berichtete.

Darüber hinaus gehört die Schweiz nicht zum Euroraum. Die Schweizer Nationalbank (SNB) verfolgt eine eigene Geldpolitik, die auf die Schweizer Volkswirtschaft zugeschnitten ist. Auch ist der Schweizer Franken in Zeiten hoher Inflation im Euroraum besonders begehrt, da verlagern viele ihre Ersparnisse lieber in der Schweiz, was den Franken aufwertet. Das dämpft natürlich die Importpreise, und davon profitieren die Schweizer speziell bei der Energie.

Es gibt aber auch noch andere Gründe und hängt auch mit der Politik der vergangenen Jahre zusammen. Darauf macht der deutsche Top-Ökonom Gunther Schnabl in „Pragmaticus“ aufmerksam.

Niedrige Staatsverschuldung, bescheidene Coronahilfen

„Die niedrige Staatsverschuldung drückt die Inflationserwartungen“, unterstreicht Schnabl. „Dazu passt auch, dass sich die Schweiz bei Coronahilfen zurückgehalten hat, während andere Länder die Inflation durch hohe Zuschüsse angeheizt haben.“ Im Zuge der weltweiten Corona-Maßnahmen „hat die Schweiz sehr viel weniger schuldenfinanzierte Hilfsgelder unter die Leute gebracht als in anderen Ländern, wo die Geldschwemme jetzt die Inflation anheizt.“

Österreich verhielt sich hier genau umgekehrt, wo das „Koste es, was es wolle“ in den Staatsausgaben seinen Niederschlag fand: 1475 Euro Steuergeld pro Österreicher sind 2020 für Corona-Wirtschaftshilfen ausgegeben worden, wie kürzlich das ORF-Wirtschaftsmagazin „ECO“ unter Berufung auf Eurostat-Daten berichtete. Damit war die Republik Spitzenreiterin in Europa. 451 Euro pro Person waren es in Deutschland, 325 Euro im EU-Durchschnitt, und gerade einmal 82 Euro pro Kopf in der Schweiz.

Oft muss die Druckerpresse bei Schulden nachhelfen

Seit jeher geht hohe Inflation tendenziell mit hoher Staatsverschuldung einher: „Aus historischer Sicht ist Inflation meist mit hohen Ausgabenverpflichtungen der Regierungen einhergegangen, die über Steuern nicht mehr finanzierbar waren und deshalb zunehmend mit Hilfe der Notenpresse finanziert wurden“, erklärt Schnabl. „Je höher die Staatsverschuldung, desto höher sind die Zinsen, die Regierungen auf die ausstehenden Staatsanleihen bezahlen müssen.“

Die Staatsverschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt lag im Jahr 2021 im Euroraum 2021 bei zirka 95 Prozent, in Italien sogar bei 150 Prozent, in Österreich immerhin bei 80 Prozent, doch in der Schweiz nur bei 42 Prozent. Damit sind auch die Inflationserwartungen in der Schweiz geringer.

Geringere Gasabhängigkeit, höherer Konkurrenzdruck

Die Schweiz ist auch nicht so abhängig von Gas, wie etwa Deutschland oder Österreich. Großteil des Strombedarfs ist durch Wasser- und Atomkraft gedeckt. „Nur im Winter muss Strom importiert werden.“ Somit macht der Anteil des Gases am Energiemix gerade einmal um die 12 Prozent aus.

Die kleine Schweiz stehe schließlich noch unter einem starken Konkurrenzdruck, hält Schnabl fest, weil die Eidgenossen im benachbarten Ausland billig einkaufen können. Auch aus diesem Grund steigen die Preise weniger stark.