Anfangs hui, dann pfui – so meisterte die Regierung ein Jahr lang Corona, analysiert die Agenda Austria im Rückblick
Die Denkfabrik Agenda Austria hat nach einem Jahr Corona die Wirtschaftspolitik der Regierung untersucht. Fazit: Anfangs kam Österreich besser durch die Krise als die EU, über den Sommer wurde der Vorsprung vergeigt. Dass das Land Ende 2020 härter von der Krise getroffen wurde, lag nicht nur am Tourismus.
Österreichs Start in einen 29-tägigen Total-Lockdown am 16. März 2020 war hart. Doch dann meisterte die Republik die Anfangsphase im internationalen Vergleich erstaunlich souverän, vor allem wenn man Österreichs geographische Nähe zum besonders früh und besonders hart geschüttelten Italien bedenkt. Dass der Wirtschaftsrückgang für das gesamte Jahr 2020 dann doch noch sehr beträchtlich wurde, ist daher umso überraschender.
Die Agenda Austria hat für dieses vergleichsweise schlechte Abschneiden eine eindeutige Erklärung: “In den Sommermonaten hat man den Vorsprung verspielt, das Virus wurde unterschätzt, kostbare Vorbereitungszeit für den Herbst ging verloren. Deswegen kamen zahlreiche andere Staaten besser durch die zweite Welle”, schreibt der Thinktank.
Für Wien ist der Dezember besonders wichtig
Teilweise kann man den starken Einbruch des Bruttoinlandsprodukts gegen Jahresende mit der hohen Wirtschaftsleistung erklären, die Österreich in einem normalen Jahr im Tourismussektor erzielt, räumt die Agenda Austria ein: “Insbesondere der Wintertourismus spielt hier eine große Rolle. Im EU-Vergleich zeigt sich, dass der Anteil der Nächtigungen in der Wintersaison nirgends so stark ist wie hierzulande.” Gerade für Wien ist der Dezember ein besonders wichtiger Tourismusmonat. “Nach dem August ist er der zweitstärkste Nächtigungsmonat.”
Doch “der Tourismus alleine kann den wirtschaftlichen Absturz im vierten Quartal nicht erklären.” So sind darüber hinaus besonders “konsumnahe Dienstleistungen” wie Friseure und der gesamte Kulturbereich in dieser Zeit stark eingebrochen. Einen wichtigen Grund hierfür sieht die Agenda in dem langen Zögern der Regierung, um die Ausbreitung der Ansteckungen zu stoppen. Dass man nicht so schnell reagiert hat wie im Frühjahr 2020 hat sich gerächt. Man versuchte es “mit einem leichten Lockdown, der dann aber in einen besonders strengen und langen mündete.”
Längerer Einbruch, stärkerer Einbruch bei Arbeitsstunden
Im Rückblick zeigt sich: Die Einschränkungen waren im vierten Quartal 2020 und in den ersten Monaten des laufenden Jahres wesentlich länger, als beim ersten Lockdown. “Die Dauer der Lockdowns hat mit Fortdauer der Pandemie nicht ab-, sondern zugenommen.”
Das Herumlavieren hatte konkrete Folgen. Die geleisteten Arbeitsstunden gingen in Österreich um 10,2 Prozent zurück, um mehr als in Spanien, Frankreich, Italien oder Deutschland. Darüber hinaus begannen die besonders großzügigen Staatshilfen zunehmend falsche Anreize zu setzen. Sie verführen etwa dazu mit dem Aufsperren zu warten, “um zu verhindern, dass die Umsätze über ein gewisses Niveau steigen, womit Hilfsgelder verloren gehen würden.” Die derzeitige Ausgestaltung der Kurzarbeit verleite darüber hinaus dazu, so wenig wie möglich zu arbeiten. “Es macht keinen Unterschied, ob jemand 10, 30 oder 80 Prozent arbeitet – auf dem Konto der Kurzarbeiter landet immer derselbe Betrag. Beides könnte im Aufschwung noch ein Problem für Österreich werden.”
Mittlerweile konnte Österreich wieder einiges gut machen. Dank einer vergleichsweise soliden Teststrategie und ersten regionalen Öffnungsschritten ab Mitte März hat man “wieder einen kleinen ‘Vorsprung’ gegenüber den europäischen Nachbarn erarbeitet. Nach Zypern weist man mittlerweile die meisten Tests pro Kopf in der EU auf.” Diese Kombination aus Tests und regionaler Differenzierung könnte sich als vielversprechend erweisen, wie das Beispiel der Schweiz zeige. Die Eidgenossen sind auf diesem Weg bisher “deutlich stabiler durch die Krise gekommen und haben weniger Einbußen als die Österreicher hinnehmen müssen.”
Die Rettungsprogramme haben darüber hinaus dahingehend Wirkung gezeigt, dass die Wirtschaftsstruktur weitgehend erhalten blieb. Das stellt die Basis für den kommenden Aufschwung dar. Bereits im Sommer 2020 erholte sich die Wirtschaft ohne politische Einschränkungen überraschend gut.
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