Rabatttricks im Supermarkt: Fast 200 Anzeigen wegen irreführender Preisangaben
Das Wiener Marktamt schlägt Alarm: Fast 200 Anzeigen wurden gegen große Supermarktketten erstattet – wegen falscher Grundpreise, unrichtiger Mengenangaben und fehlender Rabattkennzeichnungen. Betroffen sind die größten Namen im Handel – Spar, REWE, Hofer und Lidl.
Fast 200 Anzeigen: Große Handelsketten wegen irreführender Preisauszeichnungen im Visier.IMAGO/Lobeca
Seit Jahresbeginn hat das Marktamt in Wien 1.215 Kontrollen durchgeführt – mit ernüchterndem Ergebnis. Insgesamt 502 Strafanträge wurden gestellt. „Je schlechter ein Betrieb bei der Kontrolle abschneidet, umso häufiger führt das Marktamt Kontrollen durch“, erklärte Marktamtsdirektor Andreas Kutheil im Interview mit Wien heute.
Besonders häufig fielen die großen Handelsketten negativ auf. Sprecher Alexander Hengl berichtete im Ö1-Morgenjournal: „198 Kontrollen haben zu Anzeigen geführt. Es ist tatsächlich so, dass die Preisauszeichnung bei den großen Playern im Supermarktbereich derzeit bei Weitem nicht eingehalten wird.“
Das Sozialministerium verwies in diesem Zusammenhang auf eine bemerkenswerte Diskrepanz: „Laut WIFO steigen die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak heuer um 3,8 Prozent, für 2026 wird ein weiterer Anstieg um 3,2 Prozent erwartet. Gleichzeitig konnten die großen Lebensmittelketten ihre Gewinne im Vorjahr um rund 60 Prozent steigern.“
Falsche Angaben, irreführende Rabatte
Die Liste der Verstöße ist lang. In den Filialen wurden etwa unklare „Von-bis-Preise“ ohne konkrete Zuordnung entdeckt, Mengenangaben auf Preisschildern stimmten nicht mit den tatsächlichen Verpackungsgrößen überein, und bei Aktionsware fehlten häufig die vorgeschriebenen Hinweise auf den günstigsten Preis der letzten 30 Tage. Manche Produkte wurden mit auffälligen Rabatten beworben, ohne dass die gesetzlich geforderten Grundpreise angegeben waren.
Kutheil fand deutliche Worte: „Von Einzelfällen kann man da nicht mehr reden“, sagte er und forderte härtere Sanktionen. Die derzeitige Höchststrafe von 1.450 Euro sei für milliardenschwere Handelsriesen „zu wenig abschreckend“. Sein Appell: „Preisauszeichnung ist kein Wunschkonzert, sondern gesetzlich geregelt. Wenn sich der Inhalt ändert oder ein Rabatt beworben wird, muss das klar und nachvollziehbar im Regal stehen. Alles andere ist Täuschung.“
Politik und Handel in der Defensive
Auch aus der Politik kamen kritische Töne. Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ), Staatssekretärin für Konsumentenschutz, sprach im Ö1-Morgenjournal von einem „groben Vergehen“. Sie forderte: „Aus meiner Sicht ist es so, dass man nicht zur Tagesordnung übergehen kann und bei wiederholten Übertretungen nicht das Strafausmaß erhöht.“
Der Handelsverband hingegen reagierte empört. Geschäftsführer Rainer Will wies alle Vorwürfe entschieden zurück: „Absichtlich passieren keine Fehler“, sagte er im Ö1-Morgenjournal. In einer Aussendung betonte er, Österreich habe „die strengsten regulatorischen Vorschriften bei der Preisauszeichnung“. Die Vielzahl an Regelungen sei selbst für erfahrene Mitarbeiter schwer zu überblicken: „Mittlerweile braucht ja schon fast jeder Verkäufer bei uns ein Jusstudium, um sämtliche rechtlichen Vorgaben korrekt umzusetzen.“
Wirtschaftskammer beklagt unerfüllbare Vorschriften
Auch die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) stellte sich hinter den Handel. „Niemand hat ein Problem mit Kontrolle – aber wir haben ein Problem mit Vorschriften, die in der Praxis schlicht nicht erfüllbar sind“, sagte Christian Prauchner, Obmann des Lebensmittelhandels, in einer Aussendung.
Kontrollintensive Zeiten
Nicht nur der Handel steht derzeit im Fokus der Behörden. Erst kürzlich führte die Wiener Polizei in Liesing eine großangelegte Verkehrskontrolle durch, bei der 129 Anzeigen erstattet wurden – von Rotlichtverstößen über Handybenutzung am Steuer bis hin zu Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss.
Die Vielzahl solcher Maßnahmen zeigt: Ob auf der Straße oder im Supermarkt – der Staat schaut derzeit genauer hin. Vielleicht auch weil es der Stadt aufgrund der schlechten Haushaltslage nach neuen Einnahmequellen dürstet.
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