Russen jubeln: So umgehen Ikea und Zara die Sanktionen
Sich solidarisch mit der Ukraine erklären, die Russland-Boykott-Welle mitreiten und trotzdem in Moskau und Co. weiter Geschäfte machen? Was unmöglich klingt, hat ein namhaftes Unternehmen nun mit einem Trick bewerkstelligt – und Experten gehen davon aus, dass bald viele andere seinem Beispiel folgen werden.
Mehr als 100 Tage dauert der russische Angriffskrieg auf die Ukraine bereits – die lange Liste jener Unternehmen, die sich aus Protest gegen die Invasoren und aus Solidarität mit der Ukraine aus Russland zurückgezogen haben oder zumindest bis auf weiteres ihre Geschäfte in und mit dem Aggressoren unterbunden haben, ist jünger – und sie wird auch wieder kürzer.
Wie es scheint, wollten nämlich viele Firmen nicht mehr länger auf die nicht unwesentlichen Einnahmen aus der 144-Millionen-Einwohner-Nation verzichten – und suchen darum Wege, wie sie ihre eigenen Russland-Sanktionen umgehen können. Dafür nutzen die Unternehmen rechtliche Schlupflöcher, die ihre Schritte wenn nicht moralisch, dann doch gesetzlich tadellos machen – und ihre Haltung nach außen hin wahren sollen, während der Rubel wieder für sie rollt.
L'Occitane macht's vor
Ein aktuelles und prominentes Beispiel für diese Taktik ist der französische Kosmetik, Parfum- und Gesichtspflege-Hersteller “L’Occitane”. Das international erfolgreiche Beauty-Unternehmen aus der Provence hatte bereits im April für Aufsehen gesorgt, nachdem es offen seine Absicht verkündete, seine Geschäfte in Russland auch weiterhin aufrecht erhalten zu wollen. Während die Boykott-Liste anderer namhafter Unternehmen mit jedem Tag angestiegen war, meinte L’Occitane am 14. April noch, dass seine Shops in Russland auch weiterhin offen bleiben würden – nur um nach einem heftigen Shitstorm und Protesten von Kunden drei Tage später doch eine Kehrtwende zu machen. L’Occitane schloss am 17. April seine Stores und stoppte auch den Internet-Handel in der Russischen Förderation – aber mittlerweile können Russische L’Occitane-Fans wieder problemlos ihre liebsten französischen Beauty-Produkte shoppen.
Wie das geht? Mit einem “Rebranding à la russe”: Dabei bleibt alles gleich – Shops, Produkte und Gesamtsortiment – nur der Name wird einfach “russifiziert”. L’Occitane hat für Russland seinen Namen ändern und seine russischen Geschäfte unter ebendiesem als eigenen Geschäftszweig beziehungsweise als russisches Unternehmen eintragen lassen – damit besitzt das französische Firma nun zwei Unternehmen, eines in Europa und eines in Russland. Und voilà: “Problem gelöst.”
Zara und Co. machen es nicht anders
Eine Expertin erklärt, dass das ein “absolut annehmbarer gesetzlicher Schritt” sei: “Dies ist ein durchaus akzeptabler Schritt, den auch andere internationale Netzwerke nutzen können”, meint Ivan Samoylenko von der Kommunikationsagentur B&C Agency. Und wie es aussieht, haben tatsächlich auch bereits andere namhafte Unternehmen diese Option für sich entdeckt.
So hat auch etwa die Marke Zara bereits offen mit dem Gedanken gespielt, seine Store-Schilder auf den russischen Namen zu ändern – und das noch bevor L’Occitane es durchgeführt hat. Auch wenn die Modemarke diese Berichte mittlerweile wieder dementiert, wie Samoylenko weiter ausführt: “In dieser Situation war keine Zustimmung des Markeninhabers erforderlich. Das Unternehmen selbst hat beschlossen, den Namen seiner russischen Repräsentanz zu ändern und eine neue Marke zu registrieren.”
IKEA und Co. könnten schon sehr bald folgen
Und L’Occitane und Zara finden sich in “bester Gesellschaft” wieder: Die Zahl der der Handelsketten, die ihre Waren “per Parallelimport” importieren – wächst und wächst. Täglich hört man davon, dass diese oder jene Marke plant oder zumindest darüber nachdenkt, nach Russland zurückzukehren. “Sie müssen verstehen, dass die meisten Unternehmen bisher unter ernsthaftem politischem Druck stehen”, erklärt die russische Handelsexpertin.
Experten schließen es demnach alles andere als aus, dass andere Marken dem Beispiel von L’Occitane folgen könnten: von Inditex (dem die Marken Zara und Zara Home, aber auch Pull & Bear, Massimo Dutti, Bershka, Stradivarius und Oysho gehören) bis IKEA sind viele bekannte Namen dabei.
Einige Einzelhändler sind aber bereits einen anderen Weg gegangen: Sie haben den Namen ihres Netzwerks in Russland nicht geändert, aber dafür den Eigentümer gewechselt. Reebok-Filialen in Russland gehören beispielsweise jetzt der türkischen Holding FLO Retailing.
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