Franz Schellhorn: Mit CO2-Steuern wird die Politik unser gesamtes Leben empfindlich verteuern
Menschen mit niedrigem Einkommen werden unter neuen CO2-Steuern besonders leiden, unterstreicht Franz Schellhorn, Leiter der Agenda Austria, mit Blick auf die Klimaschutz-Pläne der Politik. Unternehmer sollten selber nach eigenen Lösungen suchen, zumal die jetzigen Herausforderungen nur technologisch gelöst werden können.
Der Entwurf zum Klimaschutzgesetz sorgt für rege Debatten, vor allem wegen der automatischen Erhöhung von Steuern, wie der Mineralölsteuer auf Diesel und Benzin, sofern die Klimaziele nicht erreicht werden. Wie stehen Sie zu dieser Idee?
Also grundsätzlich finde ich es sehr interessant, dass die automatische Erhöhung von Steuern und Abgaben hierzulande anscheinend völlig problemlos durchführbar ist. Wenn es aber um die automatische Anpassung der Steuergrenzen an die Inflation geht, dann ist das laut Politik immer viel zu kompliziert. Zu loben ist Umweltministerin Gewessler jedenfalls für ihre Klarheit.
Jeder in diesem Land weiß, dass unser gesamtes Leben von der Politik empfindlich verteuert werden soll. Das beginnt mit dem Autofahren, geht über das Fliegen bis hin zur Ernährung und endet beim Wohnen. Überall dort produzieren wir Treibhausgase, die wir aus Sicht der Umweltministerin radikal senken müssen. Nicht über den technischen Fortschritt, sondern über Steuern. Das trifft Niedrigverdiener besonders stark, weil sie einen höheren Anteil ihres Einkommens für fossile Brennstoffe ausgeben.
"Wir haben schon CO2-Steuern, nur heißen sie anders"
Halten Sie grundsätzlich steuerliche Anreize, ähnlich einer Umweltsteuer, bei der Klimapolitik für ein vernünftiges Instrument? Schweden hat zum Beispiel seit 30 Jahren eine CO2-Steuer, die auf mittlerweile 120 Euro pro Tonne CO2 angehoben wurde.
Es ist ja nicht so, dass wir keine CO2-Steuern hätten, sie heißen nur anders. Mineralölsteuer, Normverbrauchsabgabe, motorbezogene Versicherungssteuer und so weiter. Über diese grünen Steuern und Abgaben kassiert der Staat rund 15 Milliarden Euro im Jahr. Damit sind sie hinter der Lohn- und der Umsatzsteuer die drittwichtigste Einnahmenquelle des Staates.
Schweden ist übrigens ein gutes Beispiel für die Schwäche der CO2 -Steuer. Wäre sie erfolgreich, würde sie den Verbrauch immer weiter bremsen und sich irgendwann selbst abschaffen. Davon ist Schweden aber weit entfernt, die Steuer klettert immer weiter in die Höhe. Für die Politik ist das angenehm, weil damit laufend höhere Einnahmen generiert werden. Aber dann sollte man das auch sagen und nicht so tun, als würde diese Steuer eine Lenkungswirkung haben. Dafür müsste sie nämlich sehr hoch sein. Vor allem aber brauchen die Menschen eine Möglichkeit des Umstiegs. Denken wir nur an das Heizen eines Hauses am Land. Mit dem Stilllegen der Ölheizung ist es ja nicht getan.
Keiner weiß, wohin die bisherigen Umweltabgaben fließen
Für wie effizient halten Sie Österreichs bereits bestehende Umweltabgaben?
Das Problem aller dieser Umweltabgaben ist, dass sie keinem erkennbaren Konzept folgen. Die Bevölkerung hat keine Ahnung, wohin das Geld fließt, auch die Politik weiß das nicht. Die erwähnten 15 Milliarden Euro verschwinden einfach in den Budgets. Zudem scheinen sich auch keine Lenkungseffekte zu haben, sonst würden die Einnahmen ja nicht laufend steigen. Anstatt eine klare Lösung zu finden, hat Österreich viele unterschiedliche Umweltsteuern, aber eben kein durchgängiges Konzept.
Gibt es hier auch aus Ihrer Sicht unnötige Belastungen, die man beseitigen könnte?
Grundsätzlich sind Steuern oder ein Handelssystem Verboten oder Geboten vorzuziehen.
Das CO2-Problem lässt sich nur technologisch lösen
Sie sind kritisch gegenüber CO2-Steuern, gestehen aber zu, dass CO2 etwas kosten wird. Welches Modell schlagen Sie vor?
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass das Problem der erhöhten CO2-Konzentration in der Atmosphäre nur technologisch zu lösen sein wird. Das ändert nichts daran, dass CO2 einen Preis bekommen muss. Nur dann werden die großen Umweltsünder auch zur Kasse gebeten. Eine CO2-Steuer ist immer den politischen Launen der jeweiligen Regierungen ausgesetzt, sie wird also permanent nach oben getrieben werden. Zumal es ja für einen „guten Zweck“ ist. Das ist bei einem Emissionshandelssystem nicht der Fall, und dafür plädieren wir von der Agenda Austria ganz klar. Dieser stellt sicher, dass mit den geringsten Mitteln die größte Wirkung erzielt werden kann. Hier kann ein Unternehmen für seinen Verbrauch CO2-Zertifikate kaufen, um sicherzustellen, dass sie andernorts eingespart werden.
Bei einem Emissionshandelssystem gibt die Politik vor, wie viel CO2 zukünftig emittiert werden darf. Unternehmen erhalten Zertifikate vom Staat, die ihnen den Ausstoß einer bestimmten Menge an Abgasen erlauben. Wer wegen höherer Emissionen mehr Zertifikate benötigt, kann diese am Markt von jenen Unternehmen kaufen, die weniger Zertifikate verbrauchen. Die Agenda Austria fordert ein nationales Emissionshandelssystem für jene Sektoren, die über den EU-weiten Zertifikatshandel nicht abgedeckt sind.
Könnte man allein mit einem solchen System die Klimaziele der EU erreichen, sprich eine Reduktion der Emissionen gegenüber 2005 um 36 Prozent bis 2030? Oder bräuchte es noch weitere Maßnahmen?
Diese Ziele können mit einem Emissionshandelssystem erreicht werden. Begleitende Maßnahmen wie etwa Verbote sollen so spärlich wie möglich eingesetzt werden. Denn diese Verbote verhindern die Technologieoffenheit: Die Regierung gibt die Emissionsziele vor, den Unternehmen und Konsumenten sollte vorbehalten sein, wie diese Ziele erreicht werden. Solange die Emissionen durch den Zertifikatehandel reduziert werden, ist es egal, ob dies mit Verbrennungsmotoren oder ohne passiert.
Nicht marktbasierte Lösungen verbauen bessere Wege
Sie fordern beim Klimaschutz marktbasierte Lösungen. Worin besteht der Vorzug gegenüber nicht marktbasierten?
Der Vorteil ersterer ist, dass das eigentliche Problem adressiert wird. Bei nicht marktbasierten Lösungen ist das größte Problem, dass der Wirtschaft vorgegeben wird, wie sie diese Ziele zu erreichen hat, womit möglicherweise bessere Wege verbaut werden. Bei marktbasierten Instrumenten gibt der Staat zwar das Emissionsziel vor – aber die Unternehmen können entscheiden, wie sie die Emissionen einsparen. Dort, wo es für sie am günstigsten ist. Im schlimmsten Fall kann dies bei Fehlentscheidungen der Politik zu schweren wirtschaftlichen Folgen kommen. Nicht nur für die Unternehmen, sondern für die gesamte Volkswirtschaft.
Entscheidend ist, wie die CO2-Steuern investiert werden
Auch andere Maßnahmen im Entwurf des Klimaschutzgesetzes kamen an die Öffentlichkeit, wie ein verbindliches Treibhausgasbudget. Wie stehen Sie zum Entwurf, soweit bekannt?
Dazu sind noch zu wenige Details bekannt. Klar aber ist, dass die Verwendung der eingenommenen CO2-Steuern von entscheidender Bedeutung ist. Werden sie für die Erforschung neuer Technologien eingesetzt? Werden sie zur Förderung bestehender Technologien verwendet, wovon besonders gut lobbyierende Verbände profitieren, oder verschwinden sie einfach wieder in irgendwelchen Budgets? Oder werden die Einnahmen an die Haushalte retourniert?
Ohne Länder wie China erreichen wir nichts
Österreich allein kann die weltweiten CO2-Emissionen nicht spürbar reduzieren. Kann es das gemeinsam mit der EU?
Was uns gelingen muss, ist, dass Österreich einen Beitrag zum Klimaschutz leistet, ohne seine wirtschaftliche Basis zu ruinieren. Wir tun ja oft so, als könnten wir die Emissionen im Alleingang senken. Dabei sind wir nur für ein halbes Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. In Wahrheit ist es egal, wenn Österreich oder ganz Europa seine Klimaziele erreicht, solange Länder wie China nicht mitziehen. Und genau hier offenbart sich das ganze Problem: Wenn etwa ganz Europa seinen Verbrauch an fossilen Brennstoffen reduziert, wird dieser aufgrund der sinkenden Nachfrage weltweit günstiger. Womit sich ärmere Länder mehr Öl, Kohle und Gas leisten können, mit dem Ergebnis, dass weltweit genau gar nichts gespart worden wäre. Deshalb befürworten wir eine Lösung auf internationaler Ebene. Zum Beispiel einen Klimaklub zwischen den USA und Europa, die ihr Vorgehen koordinieren.
Die EU hat beim Klimaschutz viel vor, siehe Green Deal. Besteht die Gefahr, dass sie damit primär die eigene Wettbewerbsfähigkeit schwächt, ohne global für das Klima viel zu erreichen?
Ja, das ist die ganz große Gefahr. Es bringt dem Weltklima nichts, wenn das in Europa eingesparte CO2 andernorts in die Atmosphäre geblasen wird. Und wenn Europa dabei auch noch seine ohnehin schwächelnde Wirtschaft abwürgt, endet die ganze Aktion in einem Desaster. Anstatt immer strengere Klimaziele festzulegen, sollte die EU lieber daran arbeiten, international Verbündete für eine globale Strategie zu finden, wie CO2 am besten zu bepreisen ist und auch dafür zu sorgen, dass es Trittbrettfahrer wie China schwerer haben.
Die Wirtschaft muss innovative Lösungen finden können
Bietet der Fokus auf Klimaschutz auch Chancen für die heimische Wirtschaft?
Es gibt natürlich Chancen für die heimische Wirtschaft. Aber nur dann, wenn man sie ihre eigenen innovativen Lösungen entwickeln lässt. Jegliche staatlichen Vorgaben, sei es Bepreisung oder seien es Verbote, sind grundsätzlich einmal ein Nachteil für die im internationalen Wettbewerb stehende heimische Wirtschaft. Aber sie werden dadurch natürlich auch zur Innovation gedrängt – genau die muss man zulassen. Der Staat sollte nicht so tun als wüsste er heute schon, welche Technologien in zehn, 15 oder 20 Jahren die besten sein werden. Das kann der Staat nämlich nicht wissen. Weil es niemand weiß.
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