Syriens Wirtschaft liegt am Boden. Die Infrastruktur ist zerstört, Millionen Menschen wurden während des Kriegs vertrieben. Zudem leidet das Land unter jahrelangen Wirtschaftssanktionen. Die Bürger können sich Brot und Benzin angesichts der galoppierenden Inflation kaum noch leisten: Das syrische Pfund (SYP) hat seit Kriegsbeginn mehr als 99 Prozent seines Wertes verloren.

Ein Benzinverkäufer sitzt am Straßenrand von Damaskus. Mehr als 13 Jahre Bürgerkrieg haben die Infrastruktur Syriens, einschließlich der Kraftwerke und Energieversorgungsleitungen, stark in Mitleidenschaft gezogen.APA/AFP/LOUAI BESHARA

Schutz vor geopolitischem Druck

Mit schwindenden Devisenreserven und eingeschränktem Zugang zu globalen Finanzsystemen hat Syrien nun Schwierigkeiten, seine Währung stabil zu halten. Doch der bekennende Bitcoin-Fan und Kolumnist Ghaffar Hussain sieht Licht am Ende des Tunnels: Das Land plant nämlich, die Legalisierung von Bitcoin zu prüfen. Dabei geht es darum, ob Bitcoin als Grundlage für die syrische Landeswährung dienen kann und ob Syriens Energiereserven zum Schürfen von Bitcoin genutzt werden können. „Diese bahnbrechende Politik könnte nicht nur die Wirtschaft Syriens verändern, sondern auch als potenzielles Modell für andere Nationen in der Region dienen, die ebenfalls mit Inflation und wirtschaftlicher Instabilität zu kämpfen haben“, schreibt Hussain im Bitcoin Magazine

Die Gründe für Hussains Optimismus: „Die dezentrale Natur von Bitcoin macht es immun gegen geopolitischen Druck und die Geldpolitik einzelner Nationen. Diese Unabhängigkeit bietet Syrien eine Möglichkeit, traditionelle Finanzsysteme zu umgehen, die von westlichen Mächten und Sanktionen dominiert werden. Die Legalisierung von Bitcoin und die mögliche Untermauerung des syrischen Pfunds mit Bitcoin wird nicht nur die Währungsstabilität fördern, sondern dem gebeutelten Land auch eine gewisse Immunisierung gegen regionale Wirtschaftsschocks ermöglichen. Bitcoin könnte es Bürgern und Unternehmen auch ermöglichen, Transaktionen mit größerem Vertrauen durchzuführen und Handelskanäle mit Ländern auf der ganzen Welt zu eröffnen.“

Der Schrein von Sayyida Zeinab in den südlichen Vororten von DamaskusAPA/AFP/BAKR ALKASEM

Bitcoin könnte die Rolle von Gold übernehmen

Kritisch sieht Hussain das an den Dollar gekoppelte Währungssystem im Nahen Osten. Früher habe die Region „eine lange Geschichte des Handels, der auf Gold basierte, da es weithin als solides Wertaufbewahrungsmittel akzeptiert und anerkannt war. Bitcoin kann diese Rolle nun übernehmen, da es zunehmend als das beste Wertaufbewahrungs- und Tauschmittel der Welt anerkannt wird. Wie Gold entspricht Bitcoin viel mehr den islamischen Geldprinzipien“, unter anderem weil sich die Geldmenge nicht unkontrolliert erhöhen lässt.

Syrien hat seine „beträchtlichen“ Energiereserven – vor allem Erdöl und Erdgas – in den vergangenen Jahren wegen des Krieges kaum genutzt. Doch „das globale energieintensive Bitcoin-Mining hat gezeigt, dass Regionen mit überschüssigen Energieressourcen diese in bedeutende Einnahmequellen umwandeln können. Syriens Plan, seine Energiereserven für das Bitcoin-Mining zu nutzen, ist sowohl praktisch als auch innovativ. Durch die Umwandlung seiner natürlichen Ressourcen in digitale Vermögenswerte kann Syrien unabhängig von traditionellen Exportmärkten Wohlstand schaffen.“

Syriens ungenutzte Energiereserven: Ein Hirte geht am Rmailan-Ölfeld im Nordosten Syriens vorbei.APA/AFP/DELIL SOULEIMAN

Diese Einnahmen könnten die Wirtschaft stärken, Wiederaufbauprojekte finanzieren und das syrische Pfund durch den Aufbau von Bitcoin-basierten Reserven stabilisieren. „Außerdem werden dadurch Anreize für kleine Unternehmen geschaffen, in Mining-Technologie zu investieren, was zu Innovationen in der nachhaltigen Energieerzeugung führen und die lokale Wirtschaft stärken kann.“

El Salvador als Erfolgsbeispiel

Ein Bitcoin-gestütztes Pfund könnte ausländische Investitionen anziehen, ist der Kolumnist überzeugt. Er verweist auf El Salvador, wo Bitcoin 2021 als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt wurde. Seitdem verzeichnet das Land „trotz anfänglicher Skepsis einen Anstieg des Tourismus und der Investitionen“. Trotz der komplexeren Situation in Syrien könnte eine ähnliche Strategie auch hier langfristig von Vorteil sein.

Sollte das Experiment gelingen, könnte Syrien zum Vorbild für andere Länder in der Region werden.