Wirtschaftsbund-General Kurt Egger ist zuversichtlich: "Eine sichere Öffnung in Wien ist möglich, wir sollten die gute Stimmung nützen"
Kurt Egger (47), Generalsekretär des Wirtschaftsbunds, ist erfreut über die Öffnungen in Wien am 19. Mai. Im Interview mit dem eXXpress nennt er die Gründe für seine Zuversicht und Herausforderungen beim Grünen Pass.
Nun hat sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig für die Öffnung entschieden: Ab 19. Mai gibt es wieder Gastronomie, Hotels, Kultur und Sport. Begrüßen Sie seine Entscheidung?
Ich bin sehr zufrieden, dass man Unternehmern das Vertrauen entgegenbringt, hier ein sicheres Umfeld zu schaffen, in dem das Konsumieren wieder möglich ist.
Dass nur die Gastgärten aufsperren, wie zunächst angedacht, wäre für Sie vermutlich keine Option gewesen?
Was ist dann Plan B, wenn es auf einmal zu regnen anfängt? Dann gehen alle gleichzeitig nach Hause. Darüber hinaus gebe ich zu bedenken: Ein Unternehmer braucht Planungssicherheit. Alle wollen sich nun von der Kurzarbeit verabschieden und neues Personal anstellen. Damit hatten sie schon für den 19. Mai gerechnet.
"Alle warten auf das Öffnen der Gastronomie"
Die Lage in den Intensivstationen soll aber nach wie vor angespannt sein. Könnte da Wien nicht vorsichtiger sein?
Wien ist nicht singulär zu betrachten. Es ist von Niederösterreich umgeben. Es wird schwer zu argumentieren sein, dass man außerhalb der Ortstafel zum Gasthaus gehen kann, innerhalb der Ortstafel aber nicht. Darüber hinaus sinken in Wien nicht nur die Corona-Zahlen, sondern dank „Alles Gurgelt“ hat man eine ausgezeichnete Test-Infrastruktur geschaffen. In Summe ist das alles schon ein Signal, dass man öffnen kann. Nicht zu vergessen: Auch in der Modellregion Vorarlberg, wo die Gastronomie schon geöffnet hat, sinken die Zahlen mittlerweile wieder.
Woher diese Zuversicht?
Die Infektionszahlen gehen überall deutlich nach unten. In Niederösterreich und im Burgenland liegt die 7-Tagesinzidenz deutlich unter 100, in Wien ist sie genau bei 100, Tendenz sinkend. Nachdem ich darüber hinaus weiß, wie gut die Gastronomiebetriebe auf mögliche Öffnungsschritte mit Hygiene- und Öffnungs-Konzepten vorbereitet sind, bin ich überzeugt, dass eine sichere Öffnung möglich ist. Seit der Öffnung des Handels ist die Stimmung bei den Unternehmen sehr gut. Das sollten wir nützen. Nun warten alle auf das Öffnen der Gastronomie.
Warum ist die Gastronomie für den Handel so wichtig?
Sie ist ein zusätzlicher Frequenzbringer. Zu einem Shopping-Erlebnis im Handel gehört auch ein gemütlicher Kaffee.
Noch wichtiger müsste für einige Branchen aber eigentlich der Tourismus sein?
Es wird noch ein wenig dauern, bis der internationale Reiseverkehr wieder konkrete Formen annimmt. So, wie ich unsere Unternehmer kenne, sind sie bereit, sich darauf schnell einzustellen, durch neue Dienstleistungen oder Produkte oder eine Kombination aus beidem. Das ist ein wenig auch die grundsätzliche Situation des Unternehmertums: Man muss sich auf Dinge einstellen, für die man nicht verantwortlich ist. Ähnliche Probleme gibt es aber in allen Großstädten.
Rechnen mittelfristig 15 Prozent Online-Handel
Viele Menschen haben sich nach einem Jahr Corona an den Online-Handel gewöhnt. Rechnen Sie damit, dass dieses veränderte Konsumverhalten dem stationären Handel weiterhin zu schaffen machen wird?
Das Konsumenten- und Kundenverhalten ist schon seit einiger Zeit einer Veränderung unterworfen. Corona hat dem nochmals einen Boost versetzt. Allerdings wird der Online-Handel nie den stationären Handel ersetzen. Mittelfristig schätzen wir, dass das Handelsvolumen zu 15 Prozent beim Online-Handel sein wird, der große Rest bleibt beim stationären. Beratung und Einkaufsfeeling sind dort ganz anders. Unsere Händler wissen, dass sie mit ihrer Dienstleitung ein komplettes Shoppingangebot liefern werden. Ich bin sicher, dass sich Qualität am Ende durchsetzen wird. Andererseits ist aber jeder Unternehmer gefordert, die Digitalisierung selbst weiter voranzubringen.
Grüner Pass: "Nachweis sollte unbürokratisch sein"
Die Umsetzung des Grünen Pass steht noch vor Hürden. Sind Sie optimistisch?
Es gibt noch verschiedene Herausforderungen. Die eine ist der Eintritt ohne Hürden in Österreich. Ich hoffe, man wird zu einer technischen Lösung kommen, über die jeder seinen aktuellen Status nachweisen kann. Wir wollen, dass alle, die getestet, geimpft und genesen sind, Zugang zu Handel, Gastronomie etc. haben. Ich nenne nur die Zahlen: Es werden bis 19. Mai geschätzte 2,3 Millionen Menschen geimpft sein und bereits die nötige Schutzwirkung haben. (Anm. Ab dem 22. Tag nach der ersten Dosis wird mit einer Schutzwirkung gerechnet.) Darüber hinaus rechnen wir mit 600.000 genesenen Menschen, die zu diesem Zeitpunkt Antikörper haben werden.
Der Nachweis soll möglichst unbürokratisch geschehen. Da muss man sich auch in die Lage des Unternehmers hineinversetzen. Im ersten Schritt wird es nicht digital geschehen können, sondern über einen Zettel. Wir haben nämlich nur mehr zwei Wochen Zeit. In weiterer Folge wird es aber eine digitale Lösung geben. Davon gehe ich aus.
"Man könnte E-Card mit App kombinieren"
Eine provisorische nicht-digitale Lösung halten Sie für umsetzbar?
Im Falle von PCR- und Antigentests gibt es schon jetzt ein Formular für Friseur und Masseur. Die kann man hier auch verwenden. Dann gibt es noch die Schnelltests, die vor Ort beim Wirt gemacht werden. Der Kellner muss sie bestätigen. Das sollte aber nicht der Regelfall werden. Darüber hinaus hat die Elga GmbH alle Daten. Es wird zu schaffen sein.
Wie wäre es, die E-Card zu verwenden?
Das wäre möglich. Die offene Frage: Wie kann man die Information auslesen? Vielleicht könnte man das mit einer App kombinieren. Hinzu kommt noch die Frage des Datenschutzes. Eine E-Card hätte aber einen Charme, weil wir österreichweit bereits acht Millionen E-Card-Besitzer haben.
Für den internationalen Reiseverkehr braucht es Vereinheitlichung
Manche fordern Tests zu Hause. Der ließe sich leicht fälschen.
Ich kann zu Hause ein Testament mit zwei Zeugen machen und so Vermögen verschieben. Warum soll es nicht Tests mit Zeugen geben? Und etwas Selbstverantwortung müssen wir den Leuten auch wieder übertragen. Es wäre schon sehr bedenklich, wenn jemand eine Infektion in Kauf nimmt und trotzdem zum Wirt geht.
Der Grüne Pass soll nicht nur in Österreich gelten.
Das wäre die andere Herausforderung: der internationale Reiseverkehr. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Regierung hier eine internationale Lösung voranbringt. Es muss möglich sein, ohne Grenzen ans Meer zu kommen, unter möglichst gleichen Zugangsbedingungen. Hier ist es wichtig, dass ich überall die gleichen Kriterien erfülle. Das gibt es zurzeit Unterschiede. Bei uns zum Beispiel gelten Schnelltests 24 Stunden, Antigen-Tests 48 Stunden, PCR-Tests 72 Stunden lang und Impfungen nach 22 Tagen. Das muss man vereinheitlichen.
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