
Wohnungsnot auf Sylt: Luxus-Insel ohne Platz für Einheimische
Während sich Sylt in der Vorsaison noch ruhig präsentiert, brodelt es hinter den Kulissen der Nordseeinsel. Zahlreiche Neubauten stehen leer, doch viele Sylter finden keine bezahlbare Wohnung mehr.
Die Ursache liegt in einem brisanten Mix aus Immobilienboom, Baurechtsverstößen und einer sich wandelnden Rechtslage. Jahrelang florierte der Immobilienmarkt auf Sylt. Ferienhäuser galten als sichere Kapitalanlage, die Preise kannten nur eine Richtung: nach oben. Doch spätestens seit Mitte 2023 ist dieser Boom gebrochen. Makler Martin Dau berichtet: „Nun sind wir wieder auf dem Niveau von vor der Pandemie.“ Der Markt habe sich drastisch gewandelt.
Ferienwohnungen: Illegale Praxis unter der Lupe
Auslöser für den Einbruch ist nicht nur die wirtschaftliche Lage, sondern auch ein Mann: Burkhard Jansen, Kreisbaudirektor von Nordfriesland. Mit seiner Behörde deckt er systematisch illegale Ferienwohnnutzungen auf. Seine Bilanz ist eindeutig: „Die Quote nicht genehmigter Ferienwohnungen liegt inzwischen bei 80 bis 85 Prozent“, erwähnt er im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Das Baurecht unterscheidet klar: In reinen Wohngebieten sind Ferienunterkünfte nicht zulässig. Ausnahmen gelten nur in Misch- oder Sondergebieten – aber auch dort nur mit Genehmigung. Wer dagegen verstößt, riskiert Bußgelder in vierstelliger Höhe. Mehr als 150 Wohnungen wurden bereits geschlossen.
Ein System, das jahrzehntelang funktionierte
Makler und Gemeinderäte berichten von jahrzehntelanger Praxis, in der Genehmigungen selten geprüft wurden. Ganze Häuser seien zu Ferienunterkünften umfunktioniert worden – legalisiert durch Steuerzahlungen und Kurtaxe, nicht durch Baugenehmigungen.
Doch dieser Graubereich wird nun nicht länger geduldet. Eigentümer müssen zwischen Selbstnutzung, Dauervermietung oder Aufgabe entscheiden. Eine nachträgliche Genehmigung ist nicht immer möglich, etwa wenn Fluchtwege fehlen oder Kellerräume zu niedrig sind.
Einbrechende Preise, wachsender Leerstand
Der Effekt dieser Entwicklung ist deutlich: Laut Peter Peters vom Gutachterausschuss sind die Quadratmeterpreise für Häuser um 2000 Euro gefallen – auf aktuell rund 12.766 Euro. Wohnungen liegen bei knapp 8000 Euro pro Quadratmeter – vergleichbar mit 2018.
Ein echtes Problem bleibt: Die Einheimischen finden kaum Wohnraum. Nur 33 Mietwohnungen und acht Häuser sind auf Immoscout zu finden. Zwar wachse das Angebot, doch noch müssen viele, die auf Sylt arbeiten, auf dem Festland leben.
Sylt ist ein Symbol für einen Wohnungsmarkt, der aus den Fugen geraten ist – und für eine Insel, auf der sich viele Einheimische ihr Zuhause nicht mehr leisten können.
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