Eine lange Karriere hat Irans neuer Präsident hinter sich und sie lässt keinen Zweifel darüber, wofür er steht. Die nun bekannt gewordenen Glückwünsche, die ihm Bundespräsident Alexander Van der Bellen überbracht hat, sind deshalb umso bemerkenswerter.

Ebrahim Raisis Name ist für viele Iraner untrennbar mit der Unterdrückung des iranischen Regimes verbunden. Seit seinem 19. Lebensjahr stellt der designierte Präsident sein Wirken ganz in den Dienst am Regime: Zahlreiche schwere Menschenrechtsverletzungen werden ihm zur Last gelegt, auch die iranische Außenpolitik hat er mitbestimmt, darunter die Unterstützung von Terrorgruppen im Nahen Osten und den Abschuss eines ukrainischen Passagierflugzeugs im Jänner 2021. Seine lange religiöse Ausbildung durchlief der “Mullah” unter anderem bei Ali Chamenei, dem heutigen Revolutionsführer.

Van der Bellen wünscht "viel Erfolg" und "gute Beziehungen zwischen dem Iran und der Welt"

Erstmals blieb mehr als die Hälfte der Iraner der letzten Wahl fern, nachdem alle ernsthaften Konkurrenten Raisis zuvor ausgeschlossen worden waren. Nur so konnte Raisi die Wahl für sich entscheiden. Er ist der Mann der Revolutionsgarden, des militärischen Apparats des Religionsführers, die ihn gegen den Volkswillen zum Präsidenten gemacht haben. Beobachter befürchten, mit Raisi werde sich ein repressives Regime endgültig in eine totalitäre Diktatur verwandeln.

Wie nun bekannt wurde, hat Van der Bellen dem eben gewählten Staatspräsident zu seiner “Wahl” herzlich gratuliert. Staatsnahe Iranische Medien zitierten aus dem Schreiben, in dem es etwa heißt: “Ich wünsche Ihnen viel Erfolg in dieser wichtigen und herausfordernden Position. Wir hoffen, dass es Ihnen gelingt, die Hoffnungen und Sehnsüchte des iranischen Volkes nach Frieden zu verwirklichen, gute Beziehungen zwischen Iran und der Welt aufzubauen, insbesondere Spannungen zu deeskalieren und die Region zu stabilisieren, sowie gute wirtschaftliche Bedingungen und die Grundrechte der Freiheit zu gewährleisten.“

36 Prominente und iranische Intellektuelle reagierten mit einem offenen Schreiben an Bundespräsident Alexander Van der Bellen – aus “Entsetzen”, wie sie erklären. Die Unterzeichner – darunter auch Negar Roubani, parlamentarische Mitarbeiterin beim Grünen Klub im Parlament – unterstreichen: “Für uns ist es befremdlich und absolut unverständlich, wie Sie als Präsident eines europäischen Staates dieser Person, deren verbrecherische und blutige bisherige Geschichte hinlänglich bekannt ist, gratulieren können. Dabei ignorieren Sie die Proteste der Menschen im Iran und weltweit sowie die Proteste der iranischen Flüchtlinge und Einwanderer in Österreich.”

Und weiter: Raisi “war im Justizapparat tätig und als Staatsanwalt für Hinrichtungen und Ermordungen von Dissidenten verantwortlich. Insbesondere war er 1988 Mitglied des Todeskommitees und verurteilte Tausende von politischen Gefangenen durch eine politische Entscheidung des Regimes zum Tode. Er massakrierte Tausende, die danach in Massengräbern begraben wurden.” Die Unterzeichner, zu denen auch die deutsche Rechtsanwältin und Autorin Seyran Ateş, der deutsch-persisch-israelische Schriftsteller Arye Sharuz Shalicar und der Wiener Historiker Heiko Heinisch gehören, erinnern Van der Bellen an die Massengräber mit jungen Menschen in “Khavaran”.

Ultrakonservativ und für Massenexekutionen verantwortlich: Irans designierter Präsident Ebrahim RaisiAPA/AFP/ATTA KENARE

Als Justizchef sei Raisi “für die Verhaftung, Folterung, Auspeitschung und Hinrichtung von Hunderten von Gefangenen” verantwortlich gewesen, “die keine anderen Verbrechen begangen haben als gegen Armut und Gesetzlosigkeit zu protestieren”. Als Mitglied des Obersten Nationalen Sicherheitsrats sei Raisi auch an der Entscheidung zum Abschuss eines ukrainischen Passagier-Flugzeugs am 8. Januar 2020 beteiligt gewesen, bei dem alle 176 Menschen an Bord getötet wurden.

Von “Hoffnung für das iranische Volk” könne keine Rede sein: “Die iranische Bevölkerung weiß nach 42 Jahren Kampf gegen dieses barbarische und mörderische Regime genau, was ihr bevorsteht.” Van der Bellen ignoriere den massiven Streik der Ölarbeiter seit vorletzter Woche, die anhaltenden Proteste von Tausenden in Fabriken, Schulen, an Arbeitsplätzen und Universitäten.

Die Unterzeichner des Schreibens bitten Van der Bellen abschließend um eine offizielle Stellungnahme zum Inhalt unseres Briefes.