Nach Wiens Alleingang bei der Einführung der Testpflicht für Kinder ab sechs Jahren sowie der Abschaffung der Wohnzimmertests weht Bürgermeister Michael Ludwig ein rauer Wind entgegen, Eltern boykottieren die Regelung – und damit die Freizeitangebote der Bundeshauptstadt.

Viele sehen die Regelung als Schikane, wollen ihre Kinder nicht in Teststraßen schleifen und stornieren Reservierungen in Wiener Betrieben und weichen ins Umland (vor allem Niederösterreich und Burgenland) aus. Die Auswirkungen waren für Gastronomie und Hotelleriebetriebe der Bundeshauptstadt sofort spürbar, wie die Wiener Fachgruppenobmänner Peter Dobcak (Gastronomie) und Dominic Schmid (Hotellerie) im Exklusivinterview im Expresso-Morgenmagazin auf eXXpress TV erzählen.

Wie eXXpress bereits am Vortag erfuhr, gingen viele Wienerinnen und Wiener ihren Plänen in der Bundeshauptstadt “fremd” und wichen auf Freizeitangebote und Restaurants in den Bundesländern aus. “Ich habe Anrufe von verschiedenen Kollegen bekommen, während die Wiener Lokalbetreiber von weniger Gästen berichteten, hat ein Wirt aus Krems mir erzählt, dass er noch nie so viele Wiener Kennzeichen auf seinem Parkplatz gezählt hat wie am letzten Wochenende”, schildert Peter Dobcak die Lage der Gastronomie.

Eine Entwicklung, die Hotelier-Obmann Dominic Schmid nur bestätigen kann: “Für viele wirkt die Testpflicht für so junge Kinder abschreckend, besonders Gäste mit einer weiteren Anreise und einer späteren Ankunftszeit wie beispielsweise aus Deutschland, suchen sich dann lieber andere Alternativen. Und das spüren wir in Form von Stornierungen – allein am vergangenen Wochenende hatten wir rund 5 Prozent Stornos die in direktem Zusammenhang mit der neuen Testpflicht standen. Nach den letzten 1,5 Jahren Pandemie und den dazugehörigen Umsatzeinbußen ist das eine harte Pille, die wir runterschlucken müssen. Und es wäre nicht notwendig, denn wir haben schon bewiesen, dass wir 3G auch mit Testungen vor Ort und dem Vier-Augen-Prinzip bestens und sicher erfüllen können”,  erläutert Schmid.

Fachgruppenobmänner von Gastronomie und Hotellerie suchen "gemeinsame Lösung" mit der Stadt

Darum suchen die beiden Fachgruppenobmänner gemeinsam mit weiteren betroffenen Parteien – wie Freizeitbetrieben, Schaustellern, etc. – nun den direkten Dialog mit der Stadt Wien bzw. Stadtrat Peter Hacker und Bürgermeister Michael Ludwig, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Was genau sich die Gastronomen und Hoteliers überlegt haben, können uns Dobcak und Schmid noch nicht verraten, bevor sie es mit den Stadtvertretern abgesprochen haben, doch es gibt adäquate Ideen und Möglichkeiten, von denen wir beim eXXpress als erste erfahren werden wenn die Gespräche stattgefunden haben, wie die beiden versichern.

Zwischen dem Besuch der beiden Obmänner bei eXXpress TV um 8 Uhr morgens und 12 Uhr mittags am Dienstag hatten sie offenbar noch nicht stattgefunden, denn zu Mittag trat Bürgermeister Michael Ludwig einmal mehr vor die Presse, um zur Coronasituation in Wien zu sprechen und zusammen mit Michael Binder, dem Medizinischen Direktor des Gesundheitsverbunds, und der Vorständin der Abteilung für Atemwegs- und Lungenerkrankungen in der Klinik Penzing, Sylvia Hartl, die aktuelle und künftige Lage zu evaluieren. Und dabei verteidigte Ludwig die teilweise so heftig kritisierten Maßnahmen erneut.

Ludwig: "Möchte mir nicht gefallen lassen, dass wir geschlafen haben"

Es seien in Wien zwar viele Menschen schon geimpft, aber auch der Anteil der noch nicht geimpften Personen sei groß, gab Ludwig zu bedenken. Schütze man Kinder, bedeute dies auch, dass diese weniger Erwachsene anstecken könnten. Die in Wien verordneten Maßnahmen seien vertretbar, sie sollen verhindern, dass es später erneut zu schwerwiegenden Eingriffen – wie etwa Lockdowns – kommen müsse. “Ich möchte mir nicht den Vorwurf gefallen lassen im Herbst, dass die Politik geschlafen hat”, sagte der Bürgermeister.

Dass im heißen Sommer nun auch jüngere Kids ab sechs Jahren einen Nachweis (in diesem Fall einen Test, da in diesem Alter noch nicht geimpft wird) erbringen müssen, wenn sie etwa ein Lokal oder ein Freibad besuchen möchten, empfindet Ludwig nicht als einschneidende Änderung. Auch dass die sogenannten Wohnzimmertests nicht mehr als Eintrittstests gelten, sieht Ludwig entspannt. Schließlich werden sowieso PCR-Tests empfohlen, die in der Bundeshauptstadt im Rahmen der Aktion “Alles Gurgelt” kostenlos angeboten werden, und hier gäbe es auch die “Nasenbohr”-Problematik nicht, so der Stadtchef, der immer wieder betonte, dass die Gurgeltests eine für Wien einzigartige und auch in der Bundeshauptstadt erfundene Innovation seien, die vieles erleichtern würden. (Ein valider Punkt für alle Bewohnerinnen und Bewohner der Hauptstadt, der den Hoteliers und deren Gästen aus dem Ausland allerdings in diesem Fall nicht helfen dürfte).

Ludwig warnt vor Kindern als "gefährliche" Virenwirte

Ludwig fuhr mit der Warnung fort, dass Kinder das Virus sehr stark weitergeben könnten. Dass sie dabei oft ohne Symptome blieben, mache die Situation noch schwieriger. Zugleich bedeute die Infektion aber auch für Kinder eine Gefahr, wurde heute versichert. Wie Intensivmedizinerin Hartl betonte, könnten diese auch schwer erkranken. Auch einzelne Todesfälle habe es gegeben. Der Bürgermeister zeigte sich zufrieden darüber, dass die Situation sich derzeit entspanne. Jedoch sei etwa die vergleichsweise geringe Zahl an Hospitalisierungen kein Grund, nun unvorsichtig zu sein. Denn hier können sich der Trend rasch wieder ändern, hielt er fest.

Wie Hartl ausführte, würde es aktuell reichen, dass zehn Prozent der ungeimpften Menschen erkranken, um in Wien wieder in eine Notsituation bei den Spitalsbetten zu gelangen. “Wir wissen, dass eine weitere Welle kommen wird”, versicherte sie. Die Maßnahmen könnten dazu beitragen, dass diese möglichst flach verlaufe. Laut WIGEV-Chef Binder verdoppelt sich der Anteil der Delta-Mutation nun wöchentlich. Bald werde diese die dominierende Variante sein, erläuterte er. Er verwies in der heutigen Pressekonferenz auch auf die internationale Entwicklung, also etwa die Lage in Großbritannien, Portugal, Spanien oder Russland, wo wieder starke Fallzahlsteigerungen zu beobachten sei.

Fachgruppenobmänner sind optimistisch

Es bleibt also noch abzuwarten, was bei den Gesprächen zwischen Ludwig, Hacker und den Vertretern aus Gastronomie und Hotellerie herauskommen wird. Aktuell sieht es so aus, als würde der Bürgermeister auf der Kindertestpflicht beharren, doch Dobcak und Schmid geben sich optimistisch. Eines ist allerdings schon jetzt fix: Sobald sich hier etwas Neues tut, lesen Sie es zuerst beim eXXpress! (red / APA)