Was hatte der “Spiegel” nach der sogenannten “Relotius-Affäre” um seinen Star-Reporter Claas Relotius, der jahrelang Reportagen (“Die letzte Zeugin”) frei erfunden hatte, doch für Besserung versprochen. Die internen Kontroll-Instanzen wurden verstärkt, die Dokumentationsabteilung personell neu aufgestellt. Im angeblichen Fall eines auf der Flucht verstorbenen Flüchtlingsmädchens scheint das alles nichts genützt zu haben. Erneut werden schwere Fake-Vorwürfe gegen die Magazin-Macher erhoben.

Es geht um eine Reportage aus dem türkisch-griechischen Grenzgebiet. Der “Spiegel” berichtete über den Tod des Mädchens Maria und erhob schwere Vorwürfe gegen die griechische Regierung. Sie hätte den Tod des Kindes verhindern können. Athen meldete umgehend Zweifel an der Darstellung an – doch nichts geschah.

Jetzt, Monate später, räumt das Hamburger Magazin schwere Fehler ein. Den deutschen Reportern war zwar das WhatsApp-Foto eines Mädchens vorgelegt worden, dass es sich dabei um den Todesfall eines Migranten-Kindes auf der Flucht gehandelt hat, ist jedoch keineswegs bewiesen. Im Gegenteil, schwere Zweifel scheinen angebracht. Gab es die kleine Maria überhaupt? Die Mutter soll stets von ihren fünf Kindern gesprochen haben, Maria sei ein Zwilling gewesen. Tatsächlich existieren nur Fotos der Frau mit vier Kindern. Marias angebliche Geburt wurde erst drei Monate nach ihrem angeblichen Tod in einem syrischen Register bekundet. Mit den richtigen Verbindungen ist dies für 50 US-Dollar zu haben.

Angeblich totes Kind: Kein Grab, kein Grabstein - es gibt gar nichts

Und die Ungereimtheiten gehen weiter: Ein Ort, an dem das angeblich verstorbene Kind bestattet wurde, konnte laut “Spiegel” nicht gefunden werden, weil sich die Eltern daran nicht erinnern konnten. Auch ein Grabstein sei anders als nach islamischen Ritualen üblich nicht gesetzt worden. Begründung der Eltern: Man wollte andere Migranten nicht aufmerksam machen und das Risiko, dass jemand die Totenruhe ihrer Tochter störe, nicht eingehen.

Der “Spiegel” schreibt nun selbst, dass die ursprünglichen Berichte über den Fall der angeblich verstorbenen Maria nicht mehr auf der Website stünden, weil zu viel korrigiert werden müsste. Der Gründer des Branchendienstes “Medieninsider”, Marvin Schade: “Bin gespannt, welche Konsequenzen der Spiegel daraus ziehen wird. Das hätte nicht passieren dürfen. Höchste Standards bringen nichts, wenn alle Kontrollmechanismen versagen.”