Von den 450 antisemitischen Vorfällen, die von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (Rias)  zwischen Jänner und Juni dokumentiert wurden, waren neun Angriffe, zehn gezielte Sachbeschädigungen, zehn Bedrohungen und 417 Fälle verletzenden Verhaltens. Die Vorfälle richteten sich in der großen Mehrheit unmittelbar gegen jüdische, israelische oder als solche wahrgenommene Personen oder Einrichtungen.

Viele Vorfälle im Internet und in Öffis

Die Täter nehmen meist jüdische oder israelische Symbole oder Zeichen zum Anlass. So spuckte am 22. Februar ein Mann in Berlin-Mitte eine Frau an, die einen Beutel mit einem Davidstern trug. Am 10. März schlug ein Mann einem jüdischen Touristen in einem Hostel im Prenzlauer Berg die Kippa vom Kopf und verlangte, dass er „Free Palestine“ sagt. Am 29. Mai näherten sich zwei Männer in Neukölln einer Person mit Davidstern-Kette und taten so, als ob sie sie angreifen wollten.

Anti-zionistische und antisemitische Töne fallen oft auf Demonstrationen gegen Israel, die dem jüdischen Staat das Existenzrecht absprechen. Adam Berry/Getty Images

Hass und Hetze sind die Betroffenen aber auch im Internet ausgesetzt. In Berlin ansässige jüdische Organisationen wurden laut Steinitz zwischen Jänner und Juni durchschnittlich 1,5 Mal pro Tag unter anderem auf Social-Media-Plattformen antisemitisch angefeindet. Insgesamt wurden im Berichtszeitraum 299 antisemitische Vorfälle im Internet gemeldet.

Jenseits des Internets passierten laut der Meldestelle die meisten Vorfälle auf der Straße, gefolgt von Fällen in Bussen, Tram, S- und U-Bahnen. Bei fast jedem dritten Vorfall wurde die Erinnerung an die Schoah auf antisemitische Weise abgewehrt oder bagatellisiert.

Nach Verbot von Anti-Israel-Versammlungen: Leichter Rückgang

Gegenüber dem Vorjahr war das sogar ein leichter Rückgang. Rias zufolge fanden 2021 im gleichen Zeitraum 574 Übergriffe statt, um 124 mehr. Ein Grund für Entwarnung sei das aber nicht, erklärte Projektleiter Benjamin Steinitz: „Unser Bericht zeigt, dass Berliner Juden kontinuierlich in den unterschiedlichsten Lebensbereichen mit Antisemitismus konfrontiert werden.“

Den Rückgang der Vorfälle führt der Berliner Antisemitismusbeauftragte Samuel Salzborn unter anderem darauf zurück, dass einige Versammlungen, die sich gegen Israel richten sollten, im April und Mai 2022 verboten wurden. Zudem gebe es bei den Berliner Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden eine große Sensibilität für das Thema. Diese Maßnahmen hätten das Sicherheitsgefühl der Berliner Juden im Vergleich zu den Vorjahren trotz fortgesetzter Anfeindungen erhöht, konstatierte der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde Berlin, Sigmount Königsberg.