Noch um 19.30 Uhr hatten ORF-Experten in. der “ZiB1” herumorakelt: Die Regierung stehe unter großem Druck, deshalb dürfte sie so plötzlich einen Energiepreis-Gipfel einberufen haben, angeblich werde die Stadt Wien in der kommenden Woche ein eigenes Modell vorlegen und da wolle die Bundesregierung nicht als untätig dastehen. Das sorgte auf Twitter prompt für Spott über die Regierung.

Zweieinhalb Stunden später war alles anders. Da stellte sich plötzlich heraus: Es ist die Stadt Wien selbst, die unter Druck steht, und das dürfte viel eher Auslöser des eiligst einberufenen Gipfels gewesen sein. Der Versorger Wien Energie steckt in finanziellen Nöten, und die sind dramatisch.

Die gestiegenen Großhandelspreise für Gas und Strom überfordern das stadteigene Unternehmen. “Wien Energie ist über das Wochenende an uns herangetreten mit der Bitte, dass wir uns dringend treffen, weil sie in eine finanzielle Notlage geraten sind”, sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) am Sonntagabend in der “ZIB2”. Der Wiener Energieversorger brauche “dringend Unterstützung”.

Finanzminister Brunner spricht im TV-Interview erstmals über die Geldsorgen von Wien Energie.Zib2/ORF

Stadt Wien bestätigt mittlerweile die Summe

In der Zwischenzeit wurde auch klar, um welche Summe es geht: 1,77 Milliarden Euro. Dieser Betrag fehlt der Wien Energie, um Stromeinkäufe für die kommenden Wochen (!) zu finanzieren. Die Meldung sorgte für Überraschung, auch bei Mitgliedern des Finanzausschusses.

Mittlerweile bestätigte die Stadt Wien die Summe. Schuld seien so genannte “Futures”. Die Wien Energie hatte am Strommarkt auf künftige Stromkäufe spekuliert. In den vergangenen drei Tagen sei der Strompreis aber dramatisch explodiert, was dazu geführt habe, dass die Wien Energie die Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen könne, die angesichts der Strompreise ebenfalls steigen.

Nun müssten Stadt und Bund ein gemeinsames Rettungspaket schnüren – das heißt: Alle österreichischen Steuerzahler müssen den Wiener Energie-Konzern, der im 100%-Besitz der von Rot-Pink geführten Stadt ist, retten.

Pikant: Wiener Bürgermeister und Finanzstadtrat bleiben dem Treffen fern

Wien Energie produziert nicht ausreichend Strom. Deshalb kauft sie ihn in großen Mengen im Voraus ein. Bereits in den vergangenen Wochen soll die Stadt Wien mit einer milliardenschweren Garantie ausgeholfen haben – doch nun gelangt sie an ihre Grenzen. Für weitere Sicherheiten brauche es den Bund.

Überraschenderweise blieb die Wiener Stadtregierung selbst dem Treffen am Sonntag fern: Weder Bürgermeister Ludwig (SPÖ), noch Finanzstadtrat Hanke  (SPÖ) sind erschienen, was für Verwunderung sorgte. “Wir waren etwas überrascht, dass das politische Wien, nicht dabei war”, bemerkte Finanzminister Brunner. Gekommen waren zum Gipfel Vertreter der Stadtwerke und der Wien Energie.

Energiegipfel im Bundeskanzleramt mit BK Karl Nehammer, BM Gewessler, BM Kocher, BM Brunner. Vertreter der Wiener Stadtregierung blieben fern.Arno Melicharek

Brunner: "Sind daran, die Details zu klären"

“Wir sind jetzt daran, Details zu klären, über die Nacht was notwendig ist”, unterstrich Brunner weiter. Man müsse klären, was die Stadt Wien als Eigentümerin beitragen könne und was dann von der Bundesregierung erwartet werde. “Wir kennen die genauen Zahlen nicht”, erklärte Brunner. “Die Versorgungssicherheit ist gegeben, aber es geht um die Liquidität in den nächsten Tagen und Wochen.”

Wien Energie versucht zu beschwichtigen

Wien Energie dementierte Medienberichte, wonach der Energieversorger zahlungsunfähig sei. “Nein, Wien Energie ist nicht insolvent”, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme. “Wien Energie und die Wiener Stadtwerke sind solide, wirtschaftlich gesunde Unternehmen mit bester Bonität.” Warum dann bei dieser “besten Bonität” 1,77 Milliarden Euro nicht aufzustellen sind, wurde nicht erklärt.

Um die Versorgung der Kunden sicherzustellen, führe man Handelsgeschäfte an Energiebörsen durch und müsse dabei – wie alle Börsenteilnehmer – Sicherheitsleistungen hinterlegen. “Aufgrund des am Freitag abermals europaweit explodierten Strompreises steigen diese erforderlichen Sicherheitsleistungen unvorhergesehen an”, erklärt Wien Energie. Die Sicherheiten würden zurückkommen, sobald die Handelsgeschäfte abgewickelt werden.