Vielleicht ist es irgendwann an der Zeit, sich zu entschuldigen. Speziell die Nationalratsabgeordneten Jan Krainer (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS), teils auch Christian Hafenecker (FPÖ) haben sämtliche Politiker und ranghohe Beamte in den vergangenen Jahren mit Anzeigen erdrückt. Jedes Mal erfolgten ein medialer Aufschrei und Rücktrittsforderungen – als handle es sich um Schuldsprüche. Gelitten hat darunter die sachpolitische Debatte und ebenso der Ruf der betroffenen ÖVP-Politiker. In sämtlichen Fällen blieb nicht viel mehr zurück als heiße Luft.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat bei mindestens 17 relevanten Anzeigen – die Liste könnte noch erweitert werden – gegen zwölf ÖVP-Politiker und Beamte die Ermittlungen eingestellt, auffallend oft schon in Ermangelung eines Anfangsverdachts. Man muss sich schon fragen: Wurde hier das Instrument der Anzeige als politische Waffe missbraucht? Meist erstattete die politische Konkurrenz Anzeige, hinzu kamen auffallend viele anonyme Anzeigen, die sich teils auf Artikel in parteinahen Blogs wie ZackZack und Kontrast stützten.

Ein Überblick.

Viel Wirbel um die Casinos-Affäre

Gleich vier Anzeigen im Zusammenhang mit der sogenannten “Casinos-Affäre” mussten eingestellt werden. Zur Erinnerung: Es ging um mutmaßliche Absprachen unter der Regierung Kurz I zwischen den damaligen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ und dem Glückspielkonzern Novomatic. SPÖ-Abgeordneter Krainer brachte gleich drei Anzeigen ein, bei zwei waren auch Kollegen anderer Parteien beteiligt.

Krainers Anzeige gegen die beiden Ex-Finanzminister Gernot Blümel, Hartig Löger und Ex-ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid wegen angeblicher Eigentümerabsprachen wurden eingestellt – mangels Anfangsverdachts. Die Ermittlungen aufgrund von gleich zwei Anzeigen von Krisper und Krainer und Hafenecker gegen Blümel wegen Falschaussage im U-Ausschuss in diesem Zusammenhang wurden ebenso beendet. Keinen Anfangsverdacht konnte die WKStA auch nach einer handschriftlichen und anonymen Anzeige in der Causa erkennen, die sich unter anderem gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz, Blümel und Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache betreffend angebliche Postenschacher richtete.

Sechs ergebnislose Anzeigen gegen Wolfgang Sobotka

Gleich sechs Anzeigen gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka wurden mangels Anfangsverdachts eingestellt. Vier davon waren anonym, eine stammte von Krisper und Krainer, eine weitere von einem gewissen “Udo Lindenbeerg”. Sie betrafen Inserate in ÖAAB-Zeitungen, das Alois-Mock-Institut, eine vermeintliche Falschaussage im U-Ausschuss und ein gemeinsames Foto mit Jan Marsalek (“Wirecarde-Skandal”). Zwei Anzeigen stützten sich auf einen Artikel von ZackZack, eine auf einen Beitrag, der beimKontrast-Blog erschienen ist.

"Schredder Affäre" bringt Beamte in Verdacht

Der Geschäftsführer von Reißwolf Schmedler erstattete Anzeige bei der WKStA wegen Betrugsverdacht (nicht bezahlte 76 Euro Rechnung) gegen Arno Melicharek – einen damaligen Mitarbeiter von Bundeskanzler Kurz. Das Ermittlungsverfahren wurde ebenso eingestellt. Zuvor hatte es die WKStA mangels erkennbaren Konnex zum Ibiza Verfahren an die Staatsanwaltschaft Wien abgetreten.

Auch ein Kabinettsmitarbeiter im Bundeskanzleramt wurde belastet. Wieder einmal waren es die Abgeordneten Krainer und Krisper, die Anzeige erstatteten. Diesmal verdächtigen sie den Beamten, auch andere Festplatten geschreddert zu haben.

Ex-Finanzminister Blümel und Löger entlastet

Sämtliche weitere Anzeigen blieben ebenso ergebnislos, mehrere richteten sich dabei gegen die beiden Ex-Finanzminister Löger und Blümel. Eine Anzeige gegen Löger wegen Spenden der Premiqamed an die ÖVP wurde eingestellt, darüber hinaus ein Verfahren, das sich unter anderem gegen mehrere ÖVP-Politiker, darunter Kurz und Blümel, richtete, unter anderem wegen des Vorwurfs des “Missbrauchs der Amtsgewalt”.

Der SPÖ-Abgeordnete Krainer zeigte darüber hinaus – wieder einmal ohne Anfangsverdacht – Blümel und Wolfgang Peschorn von der Finanzprokuratur an. Der Vorwurf: Amtsmissbrauch im Zuge der Aktenlieferung an den U-Ausschuss. Die Empörung war damals enorm. Ein Jahr später, am 3. April 2022, wurde auch dieses Verfahren eingestellt. Gleiches erfolgte nach zwei weitere Anzeigen gegen Blümel wegen Falschaussage im U-Ausschuss – die eine Anzeige davon war anonym, die andere wieder von der Abgeordneten Krisper.

Zurück bleibt viel Schall und Rauch – und eine beschädigte politische Debattenkultur.