Die strengen Schuldenvorgaben in der Europäischen Union sollen angesichts der Ukraine-Krise um ein weiteres Jahr ausgesetzt bleiben. Wie die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verkündete, tritt der Stabilitäts- und Wachstumspakt erst ab 2024 wieder vollständig in Kraft. Grund seien hohe Unsicherheit wegen des Ukraine-Kriegs, hohe Energiepreise und Engpässe bei den Lieferketten, teilte die Brüsseler Behörde mit. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) signalisierte Zustimmung.

"Kein Freibrief"

Der deutsche Bundesfinanzminister Christian Lindner betonte jedoch, dass dies kein Freibrief sei, um in Europa weitere Schulden anzuhäufen. Gegenüber der “Bild” meinte er, dass Deutschland die Schuldenbremse ab 2023 einhalten werde. Auch
Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni forderte, dass die Länder ihre Ausgaben kontrollieren sollen. “Die Fiskalpolitik sollte von der Universalunterstützung während der Pandemie zu gezielteren Maßnahmen übergehen”, sagte er.

Die Schulden– und Defizitregeln wurden wegen der Corona-Krise ausgesetzt und sollten eigentlich ab 2023 wieder gelten. Die EU-Kommission will nun nach dem Sommer konkrete Vorschläge für eine Reform des Pakts vorlegen, die dann im Laufe des nächsten Jahres in Kraft treten könnte.

Österreich verfehlt Maastricht-Kriterien

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sieht vor, dass EU-Länder nicht mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung an Schuldenaufnehmen. Budgetdefizite sollen bei drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gedeckelt werden. Viele Länder überschreiten diese Grenzwerte, vor allem, weil sie während der Corona-Pandemie hohe Schuldenaufnehmen mussten, um die Wirtschaft zu stützen. So liegt etwa in Italien die Schuldenquote bei 160 Prozent, in Griechenland sogar bei 200 Prozent. Auch Österreich wird heuer laut der Ende April von der Regierung beschlossenen Budgetanpassung die beiden wichtigsten Maastricht-Kriterien verfehlen, mit einer Schuldenquote von 80 Prozent und einem Defizit von 3,1 Prozent des BIP.