Kurz nach der Ukraine-Invasion hat die EU russische Staatsmedien verboten. Mehrere Beobachter, auch russland-kritische, hielten das für kontraproduktiv. Die EU-Kommission, so der Vorwurf, bediene sich damit genau jener Methoden, die sie ihren Gegnern vorwirft. Sputnik und Russia Today mussten in der Folge ihre Sendetätigkeit einstellen. Twitter ist seit März gesetzlich verpflichtet, beide Medien von seiner Plattform fernzuhalten.

Das reicht alles nicht, sagt nun EU-Spitzendiplomat Josep Borrell. Künftig sollen auch Experten für Desinformation in den Büros der Europäischen Union weltweit im Einsatz sein. Ihre Aufgabe: Das Bekämpfen von russischen und chinesischen Verbreitern von Falschnachrichten. Borrell unterstrich: „Alle unsere Delegationen werden mit Experten für die Bekämpfung von Desinformation in vielen Teilen der Welt ausgestattet, damit unsere Stimme besser gehört wird.“

Bisher fiel der EU wenig gegen russische Troll-Armeen ein. Die einzig konkrete Maßnahme waren Verbote.

Weltweiter Austausch von Daten und Analysen

Borrell verwies auf die hohen Summen, die in Russland in den vergangenen Jahren für die Schaffung und Verbreitung so genannter Fake News geflossen sind. Meist dienen sie der Durchsetzung russischer Interessen. Einige sollen aber auch mit übertriebenen oder falschen Darstellungen Misstrauen in der Bevölkerung säen, etwa gegen die Demokratie. „Wir müssen dieses Problem politisch auf höchster Ebene angehen“, sagte Borrell. Die EU und gleichgesinnte Partner sollten einen eigenen Weg zum Austausch von Daten und Analysen ausländischer Desinformationskampagnen schaffen, aber auch mehr mit Behörden weltweit zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Stimme der EU gehört wird.

Borrell blieb aber vage, wie die Beamten konkret gegen Fake News vorgehen werden. Zum einen soll Russlands Treiben genauer untersucht werden – ein Zentrum zur Analyse und zum Informationsaustausch über Desinformation entsteht. Andererseits will die EU auch, dass ihre eigene Stimme besser zu hören ist. Wie wird das gehen?

Ein neues Ministerium für Wahrheit?

Im vergangenen Jahr fiel der EU nichts anderes ein, als unliebsame russische Sender zu verbieten.

Ein eigenes Ministerium für Wahrheit wie bei George Orwell braucht allerdings keiner. Seit Jahren verbreiten sämtliche Menschen problemlos Unsinn in Foren und im Internet, auch über naturwissenschaftliche Themen. Die Gesellschaft hält es aus, der Staat hält sich heraus. Er hat keine Hoheit um zu bestimmen, was Wahrheit ist.

Russische Troll-Armeen gibt es tatsächlich. Eine eigene EU-Zensur wäre kein Rezept dagegen.