So einheitlich freudig begeistert über den Besuch des ukrainischen Präsidenten und die weiteren Zusagen auf noch mehr Waffenlieferungen dürfte die europäischen Staatengemeinschaft doch nicht sein: Das inszenierte Gruppenbild in der EU-Zentrale in Brüssel sagte dann so einiges über die Stimmung über die aktuelle außenpolitische Positionierung der Europäischen Union aus.

So fiel sofort auf, als Wolodymyr Selenskyj auf die in Reih und Glied für die TV-Kameras positionierten EU-Staatsschefs zuging, dass einer zu Boden sah und absolut nicht klatschte: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban – er grüßte auch nicht auffallend freundlich den wie immer in Olivgrün gekleideten ukrainischen Präsidenten.

Das hat mehrere Gründe: Erstens ist Ungarn extrem bemüht, nicht in den Konflikt Russlands mit der Ukraine hineingezogen zu werden, zweitens ist die Regierung in Budapest sehr verärgert über die Zwangsrekrutierungen der ukrainischen Armee in jenen Gegenden, die von der ungarischen Bevölkerungsminderheit bewohnt werden. Außerdem sehen viele Ungarn (wie auch viele Österreicher), dass die EU-Sanktionen gegen Russland auch der eigenen Bevölkerung massiv schaden.

Orban klatschte gar nicht, Nehammer nur kurz.

Russland beobachtet jede Reaktion Österreichs genau

Auch Österreichs Kanzler Karl Nehammer, der direkt hinter Viktor Orban stand, applaudierte nur kurz: Er weiß natürlich, dass jede Handlung des neutralen Österreichs von Moskau genau beobachtet wird – ein frenetischer Applaus für Selenskyj wäre in der momentan ohnehin extrem angespannten diplomatischen Situation mit Russland ein fatales Signal gewesen. Immerhin sind schon jetzt “asymmetrische Gegenmaßnahmen” des Kremls gegen Österreich angekündigt.

Selenksyj fordert mehr Tempo und mehr Waffen

Ansonsten bereitete das Europaparlament dem ukrainischen Präsidenten einen begeisterten Empfang. Die Abgeordneten erhoben sich am Donnerstag von ihren Sitzen und applaudierten dem Staatschef. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola betonte, die Ukraine kämpfe für die Werte Europas. “Die Zukunft Ihrer Nation ist in der Europäischen Union”, sagte Metsola an Selenskyj gewandt.

Der ukrainische Präsident bedankte sich für die Unterstützung im Krieg gegen Russland. Gleichzeitig forderte er aber mehr Tempo bei weiteren Waffenlieferungen und dem Weg der Ukraine in die EU. Das osteuropäische Land will noch in diesem Jahr mit Verhandlungen über den EU-Beitritt beginnen, darüber müssen jedoch die 27 Mitgliedstaaten einstimmig entscheiden. Nach der Rede im Parlament wird Selenskyj zu einem Gipfeltreffen mit den Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten erwartet.