Wer in Wien – und natürlich auch anderswo – in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, sieht nur noch selten FFP2-Masken-Träger. Das stimmt Österreichs ehemaligen Gesundheitsminister Rudolf Anschober besorgt. „Ich war heute in der U-Bahn der Einzige in meinem Wagon, der noch eine Maske getragen hat“, klagt er in einem neuen „Presse“-Interview. Für Anschober zeigt das neuerlich: „Die Eigenverantwortung funktioniert nicht.“

Der vor zwei Jahren „aus gesundheitlichen Gründen“ zurückgetretene Minister trägt auch andernorts noch Masken, – „in engen Bereichen“, wie er sagt, wenn sich also zu viele Menschen zu nahe kommen.

Anschober verliert die Infektionszahlen nicht aus dem Blick

Durch das erste Corona-Jahr begleitete Anschober die Österreicher mit Corona-Tafeln, die das Infektionsgeschehen abbildeten. Auch hier ist der ehemalige Grünen-Minister pflichtbewusst bis heute: „Ich schaue mir ja jeden Tag die Infektionszahlen an: Wir sind derzeit im Schnitt bei rund 2000 Neuinfektionen.“

Fast keine Pressekonferenz ohne Corona-Taferl – das war die Devise als Anschober Gesundheitsminister war.APA/GEORG HOCHMUTH

Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat die Pandemie am Mittwoch für offiziell beendet erklärt. Für Anschober ist sie das anscheinend noch nicht ganz.

Ebenso überrascht Anschobers kategorische Ablehnung von Eigenverantwortung. Schweden hat als einziges europäisches Land auf Eigenverantwortung gesetzt. Dort beließ man es meist mit Empfehlungen, nur vereinzelt und für kurze Zeiträume gab es Corona-Verbote, wie das Tragen von Masken. Dennoch kam das Land exzellent durch die Pandemie. Es hat sogar die geringste Übersterblichkeit. Das ergaben jüngste Studien – der eXXpress berichtete.

Haben Fake News zu lang nicht ernst genug genommen

Rudolf Anschober scheint das Beispiel Schweden nicht sonderlich zu beeindrucken. Er fordert aber eine „wissenschaftliche Aufarbeitung“ angesichts all der „militanten Coronaleugner, die Verschwörungsthesen folgen“. Man habe „als Regierung Fake News zu lang nicht ernst genug genommen“.

Von einem Corona-Untersuchungsausschuss hält der ehemalige Gesundheitsminister „eigentlich nichts. Das ist nicht die Ebene, auf der wir weiterkommen.“ Schließlich: „Alle haben sich bemüht, nach bestem Wissen und Gewissen zu arbeiten.“

Scharfe Kritik an Schwarz-Blau in Niederösterreich

Für „fatal“ hält Anschober Niederösterreichs Impf-Werbeverbot samt Rückzahlung von Coronastrafen. „Dieses Signal ist absurd. In der Stimmungslage fühlt sich das militante Leugner-Lager bestätigt.“

Die Koalitionsvereinbarung in St. Pölten rund um Corona hält Anschober für „fatal“. Im Bild: Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und FPÖ-Landesparteichef Udo Landbauer.APA/HELMUT FOHRINGER

Allerdings versteht sich Rudolf Anschober sehr wohl als gesprächsbereit. „Ich habe als Aufarbeitungsprojekt ein Buch geschrieben. Es hat mir sehr gutgetan, Dinge zu reflektieren, die im Tempo der Entscheidungsfindung passiert sind. Bei Lesungen merke ich: Mit vielen Kritikern kann man trefflich diskutieren. Diesen Dialog brauchen wir.“ Nur das gelte halt nicht für militante Corona-Leugner. Hier sei es zu einer „Verhärtung von Zehntausenden Menschen in einer Nichtwirklichkeit“ gekommen.