Wegen der Spannungen rund um Taiwan wächst die Angst vor einem Handelskrieg mit China. Auf die Frage, ob ihm das Sorgen bereitet, antwortet Hans-Werner Sinn knapp: “Ja, sehr”. Der Wirtschaftsexperte hält fest: “Bei den deutschen Importen ist China Nummer eins, bei den Exporten Nummer zwei.” Für Sinn steht fest. “Wer den Handel mit China einschränken möchte, sägt den Ast ab, auf dem wir sitzen. Die Leidtragenden wären die einfachen Bürger, denn ihr Lebensstandard sänke erheblich.”

Für Deutschland so schlimm wie sechs Brexits

Das Müncher Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, dessen Präsident Hans-Werner Sinn bis 2016 war, hat berechnet: Ein Handelskrieg mit China käme Deutschland so teuer wie sechs Brexits. “Schaut man die riesengroße Palette von Gütern an, die wir aus China importieren, ist die Frage eher: Was kommt nicht aus China?”, meint Sinn im Gespräch mit dem ZDF. Der emeritierte Hochschullehrer an der Ludwig-Maximilians-Universität München zählt ungebrochen zu den gefragtesten Wirtschaftsexperten Deutschlands.

Deutschlands Top-Ökonom Hans-Werner SinnGETTY

Von mehr als 600 Produktgruppen des Statistischen Bundesamtes würden 50 Prozent aus China importiert, berichtet der Top-Ökonom. “Und bei den für unsere Industrie ganz wichtigen Waren wie seltenen Metallen, Aluminium, Magnesium oder vielen chemischen Zwischenprodukten liegt der Anteil Chinas an den Importen gar bei zwei Dritteln und mehr.”

"Der Welthandel ist friedensstiftend"

Sinn ist grundsätzlich für die Beibehaltung des Welthandels und klar dagegen, ihn etwa wegen der Menschenrechtssituation in anderen Ländern zurückzufahren. “Der Welthandel ist für sich genommen friedensstiftend.” Denn: “Handel hält den einen oder anderen Partner davon ab, allzu aggressiv in einem Konflikt vorzugehen. Wenn alle Länder autark wären, dann hätten wir viel mehr Kriege auf der Welt, als das heute angesichts der Handelsverflechtungen der Fall ist.”

Unabhängigkeit von Russland und China auf Dauer kaum möglich

Weder von Russland, noch von China könne man sich dauerhaft vollständig unabhängig machen: “China ist viel zu groß, viel zu dynamisch, viel zu weit entwickelt. China ist ein Machtfaktor in der Welt und als solcher zu respektieren – auch, wenn es nicht gefällt.” Auch mit Russland sollte man nach Ende des Krieges wieder in normale Handelsbeziehungen eintreten, denn es “ist unser Nachbar im Osten und hat viele Ressourcen. Deutschland als Industrieland braucht diese Ressourcen. Es führt überhaupt kein Weg daran vorbei, dass man die Dinge irgendwann wieder normalisiert”.

Nur eines sollte man künftig vermeiden: einseitige Abhängigkeiten von nur einem Land. “Bei der Energie sind wir zu abhängig von Russland”. Künftig sollte man die Energieimporte mehr diversifizieren.