Als sich Anfang 2020 die Covid-19-Fälle europaweit mehrten, war nicht nur sehr wenig über das Virus bekannt. Auch die Gesundheitsbehörden hatten kaum Erfahrungswerte, wie sie die Infektionszahlen in den Griff bekommen sollten. In der Not war die häufigste Maßnahme die sogenannte räumliche Distanzierung, sprich Lockdowns.

Der erste dieser Lockdowns war von der österreichischen Bevölkerung noch mit Ach und Krach mitgetragen worden. Später nahm die Bereitschaft dazu aber stetig ab. Der Unmut schwoll immer mehr an. Obendrein weigerten sich viele Menschen in Österreich, sich impfen zu lassen – es gab zahlreiche Anti-Impf-Demos.

Österreich war bei den Lockdowns besonders streng

Der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Johannes Kepler Universität Linz, Martin Halla, hat untersucht, wie Österreich sich im Vergleich zu seinen deutschsprachigen Nachbarn Deutschland und Schweiz während der Pandemie getan hat. Das Fazit seiner Nachforschungen ist niederschmetternd. Österreichs Corona-Bilanz sei „fatal“.

Wie er im Monatsmagazin „Der Pragmaticus“ darstellt, verhängten Österreich und Deutschland deutlich mehr und auch weitreichendere Beschränkungen als die Schweiz – darunter fielen großflächige Schließungen von Schulen, Arbeitsstätten, aber auch die Absage von öffentlichen Veranstaltungen. Die Einschränkungen des sozialen Lebens drücke der sogenannte „stringency index“ aus. Im Zeitraum 2020 bis 2022 liegt Österreich (53) hierbei knapp vor Deutschland (50) und weit vor der Schweiz (39), so Halla. Anders formuliert: Österreich war unter den drei Ländern bei den Corona-Beschränkungen am striktesten.

Wirtschaftseinbruch war in Österreich besonders stark

Halla weist darauf hin, dass Lockdowns „sehr hohe soziale und wirtschaftliche Kosten“ hätten. Er schreibt: „Die meisten Dinge im Leben, die uns produktiv und glücklich machen, erfordern Kontakt mit anderen Menschen. Die Lockdowns reduzierten unsere Produktivität massiv“. Mit Blick auf die Wirtschaft habe sich das insbesondere auf die Wachstumszahlen 2020 niedergeschlagen.

In Österreich sei das Bruttoinlandsprodukt um 6,7 Prozent geschrumpft. In Deutschland habe sich der Rückgang auf minus 4,5 Prozent belaufen. Die schweizerische Wirtschaft schrumpfte dagegen nur um 2,4 Prozent, so Halla. Diese Länderunterschiede ließen sich mit der jeweiligen Struktur der Wirtschaft – etwa der relativen Bedeutung des Tourismus –, aber auch mit der Strenge der Maßnahmen erklären. 

Bei den Subventionen, die die Regierung den Unternehmen zur Abfederung der Ausfälle (wegen der Lockdowns) gewährte ragt Österreich gegenüber Deutschland und die Schweiz ebenfalls heraus. Während Österreich pro Kopf 1475 Euro auszahlte, waren es in Deutschland 451 Euro und in der Schweiz gar nur 82 Euro. Noch dazu hat die Regierung viele Unternehmen – etwa im Eventbereich – überkompensiert, ihnen also mehr ausgezahlt als notwendig gewesen wäre.

Kinder hatten während der Lockdowns besonders zu leiden

Laut Martin Halla trugen Kinder und deren Eltern wegen geschlossenen Schulen und Betreuungseinrichtungen besonders große Schäden davon. Während der Lockdowns sei der Alltag der Kinder eintönig gewesen, junge Menschen hätten unter den geringen sozialen Kontakten gelitten. Dabei habe es schon früh Warnungen gegeben, dass sich das negativ auf die physische und mentale Gesundheit auswirken werde. Mittlerweile finden sich in der internationalen Forschung empirische Belege dafür, so Halla.

Im Hinblick auf die Häufigkeit von Corona-Tests sei Österreich im Dreiländer-Vergleich auch Spitze, wobei hier Wien „Testweltmeister“ sei. Bis Juni 2022 seien in Österreich pro Einwohner in Summe rund 21 Tests durchgeführt worden. In der Schweiz liege dieser Wert nur bei 2,5, in Deutschland gar nur bei 1,6. „Das heißt: In Österreich wurde rund 14-mal öfter getestet wie in Deutschland“, so Halla. Allerdings: Es weise nichts darauf hin, dass die exorbitant hohen Testraten in Österreich zu einer Verbesserung der Lage führten.

Bei der Impf-Kampagne ging Österreich besonders unprofessionell vor

Laut Halla waren die Impfaktionen aufgrund von Nachschubproblemen anfangs nur schleppend vorangekommen, später gipfelten sie in der Polarisierung der Gesellschaft. Der Experte verweist darauf, dass es in allen drei Ländern einen erheblichen Anteil an Ungeimpften gebe. In Österreich und Deutschland sind es rund 23 Prozent.

Die Schweiz war bei ihrer Impfkampagne weniger erfolgreich, bei den Eidgenossen konnten rund 30 Prozent der Bevölkerung nicht von den Vorteilen der Covid-19-Impfung überzeugt werden. Andererseits: Österreich ging mit den Skeptikern am wenigsten professionell um. Man beschloss zuerst eine vage Impfpflicht, kündigte danach Impflotterien an – und setzte schließlich beides nicht um, so Halla.

Österreich hatte im Vergleich besonders viele Corona-Tote

Angesichts der Tatsache, dass Österreich die strengsten Pandemie-Maßnahmen eingeführt hat, sprich lange Lockdowns im privaten und wirtschaftlichen Leben, flankiert von unzähligen Tests und Impfungen, könnte man eigentlich Folgendes erwarten: Weniger Corona-Fälle und auch weniger Corona-Tote wie in Deutschland und der Schweiz.

Ein Blick in die Zahlen, so Halla, offenbart jedoch das Gegenteil: Österreich weise im Vergleich der drei Nachbarländer die höchste Übersterblichkeit mit einem Wert von rund 250 pro 100.000 Einwohner auf. In Deutschland und in der Schweiz seien es jeweils etwas über 200. Damit habe der „Sieger“ beim Testen und Impfen, das Land mit den meisten Lockdowns und den höchsten Corona-Finanzhilfen, mit großem Abstand die meisten Corona-Toten verzeichnet.

Martin Halla ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Johannes Kepler Universität LinzQuelle: A. Röbl, Linz

Österreich hatte besonders ineffiziente Pandemie-Maßnahmen

Das Fazit von Halla fällt vernichtend aus: Österreich hatte die „ineffizientesten Pandemie-Maßnahmen“. Die Schweiz hingegen beklage mit einer vergleichsweise liberalen Politik, die den Bürgern viel mehr Freiheiten ließ, nur geringfügig mehr Corona-Tote als das strengere Deutschland.

Ein Grund für die ineffiziente Pandemiepolitik Österreichs dürfte wohl auch darin liegen, dass die Politik nicht evidenzbasiert vorging, so Halla. Mit anderen Worten: In Österreich hat keiner der drei mit dem Management der Pandemie betrauten grünen Gesundheitsminister (Rudolf Anschober, Wolfgang Mückstein und Johannes Rauch) dafür gesorgt, dass die im Gesundheitsbereich gesammelten Daten während der Pandemie für die wissenschaftliche Forschung geöffnet wurden – ein gewichtiges Versäumnis.

Halla bedauert aber noch etwas: „Leider fand bisher kaum eine Debatte darüber statt, dass Österreich bei der Pandemiebekämpfung im Vergleich zu Deutschland, aber vor allem zur Schweiz viel schlechter abgeschnitten hat. Vergangene Fehler drohen sich somit zu wiederholen – auf Kosten von uns allen und vor allem der Jungen.“