“Den Russen gehen bald die Raketen aus”, hieß es schon wenige Tag nach Beginn des Krieges in der Ukraine. Doch auch am 123. Tag der russischen Invasion gab es heftige Explosionen. Die ukrainische Hauptstadt Kiew ist Sonntag früh von mehreren Raketen getroffen worden. Eine Rakete habe ein neunstöckiges Wohnhaus getroffen, schrieb Anton Heraschtschenko, ein Berater des ukrainischen Innenministers, im Nachrichtendienst Telegram. Eine weitere Rakete sei auf dem Gelände eines Kindergartens im zentralen Bezirk Schewtschenko eingeschlagen. In dem Wohnhaus wurde nach Angaben des Zivilschutzes mindestens ein Mensch verletzt.

Verletzte stecken noch in Trümmern fest

Bürgermeister Witali Klitschko berichtete von zwei Verletzten und weiteren Menschen, die noch unter Trümmern feststeckten. Die Rettungs- und Löscharbeiten dauerten in der Früh noch an. Im Wohnhaus sei ein Feuer ausgebrochen, drei Stockwerke seien teilweise zerstört worden, teilte der ukrainische Zivilschutz nach Angaben der Nachrichtenagentur Ukrinform mit. Die Explosionen seien zu hören gewesen, während die Sirenen für Luftangriffe ertönten. Das historische Viertel in der Innenstadt von Kiew beherbergt eine Reihe von Universitäten, Restaurants und Kunstgalerien.

Der Gouverneur von Kiew, Olexij Kuleba, berichtete vom Abschuss einer Rakete durch die Luftabwehr. Die Überreste des Geschoßes seien auf ein Dorf gefallen, fügte er hinzu. Nach Angaben des ukrainischen Luftwaffenkommandos griffen russische Streitkräfte mit verschiedenen Raketenarten Ziele in der West- und der Südukraine an.

Viele Ukrainer müssen sich ergeben um zu überleben

Sjewjerodonezk ist gefallen

Bereits am Samstag hatte es einen Raketenangriff auf die westukrainische Stadt Sarny gegeben, bei dem Behördenangaben zufolge mindestens drei Menschen getötet wurden. Nach russischen Angaben wurde unterdessen die Evakuierung eines Chemiewerks in Sjewjerodonezk wegen ukrainischer Attacken ausgesetzt. Russland hatte zuvor die Einnahme von Sjewjerodonezk bekannt gegeben.

Laut der russischen Nachrichtenagentur Tass wurde das dortige Chemiewerk Asot von ukrainischer Seite beschossen, wodurch die Evakuierung darin befindlicher Personen nicht fortgesetzt werden konnte. Die Agentur berief sich dabei auf die örtliche Polizei. Nach Angaben eines hochrangigen Beraters von Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj befinden sich auch nach dem Rückzug ukrainischer Truppen aus Sjewjerodonezk noch Spezialeinheiten in der Stadt, die das Artilleriefeuer auf die russischen Truppen steuern.

Erst Verluste, dann Sieg?

Selenskyj zufolge ist sein Land am Samstag innerhalb eines halben Tages von 45 russischen Raketen getroffen worden. “Sie sind eine weitere Bestätigung unserer Position, dass Sanktionen gegen Russland nicht ausreichen.” Sein Land benötige mehr militärische Hilfe.

Die Ukraine befinde sich in einer moralisch und emotional schwierigen Phase des Krieges. “Wir verstehen, dass wir den Staat immer noch schützen können”, meinte das Staatsoberhaupt. Er wisse aber nicht, wie groß die Verluste und Anstrengungen noch sein werden, bis sich ein Sieg am Horizont abzeichne. Selenskyj will die von Russland eingenommenen Städte zurückerobern. In seiner abendlichen Videoansprache verwies er am Samstag auf Sjewjerodonezk, Donezk und Lugansk. Auch Melitopol und Mariupol seien nicht vergessen. “Alle anderen Städte der Ukraine, die vorübergehend besetzt sind, werden ukrainisch sein”, sagte der ukrainische Präsident.

Ukraine wird gewinnen

“Die Ukraine kann gewinnen und sie wird gewinnen. Aber sie braucht dazu unsere Unterstützung”, erklärt auch der britische Premierminister Boris Johnson vor dem G7-Gipfel. “Jetzt ist nicht die Zeit, die Ukraine aufzugeben.”

Großbritannien ist bereit, im Laufe des Jahres weitere 525 Millionen Dollar an Weltbankkrediten für die Ukraine zu garantieren. Damit werde sich die finanzielle Unterstützung in diesem Jahr auf insgesamt 1,5 Milliarden Dollar belaufen, so Johnson.

Will, dass die Ukraine weiter kämpft: Briten-Premier Boris Johnson