Nachdem, trotz des großen Medienrummels, vor dem Impfbus gegenüber einer ATIB-Moschee kurz nachdem der Bürgermeister die Szene verlassen hatte, kaum noch etwas los war, machte sich der eXXpress Freitagmittag samt Kameramann auf den Weg zur Favoritner Hauptstraße und interwievte dort Passanten.  Die Frage – “Wie stehen Sie zur Impfung?” ließ viele Menschen abwinken, darüber wolle man nicht sprechen. Besonders junge Frauen, die neben Kindern als die “ungeimpfteste” Bevölkerungsgruppe gelten, standen dem Thema sehr skeptisch gegenüber. Gleichzeitig sind sie laut Gesundheitsministerium auch die Gruppe, die am stärksten von Nebenwirkungen betroffen ist. Filmen lassen wollte sich kaum jemand, das Vertrauen gegenüber Medien schien bei vielen eher gering.

"Überall bekommt man Druck"

In der Nähe des Impfbusses beginne ich die Umfrage: Als erstes zu Wort kommt eine ältere Muslimin, die mit einem Dutzend anderer Personen vor dem Impfbus gegenüber der Moschee wartet. Sie sei eigentlich skeptisch gewesen, in der Familie und im Bekanntenkreis sei kaum jemand geimpft. “Aber man wird dazu gezwungen, was soll man machen? Überall wird gefragt, bist du geimpft, hast du Zertifikat? Es bleibt einem nichts übrig” sagt sie mit zuckenden Schultern. Sie arbeite in einem Beruf mit Kindern: “Es ist sehr schwer. Überall bekommt man Druck,” so die Dame, die sich unter dem Namen Mersada vorstellt. Ein junger Vater mit türkischem Hintergrund, der ebenfalls vor dem Bus wartet, sieht die ganze Sache entspannter. Er sei der einzige Skeptiker in der Familie gewesen, alle seien schon geimpft. Nun wolle er es aber hinter sich bringen. “Meine Frau hat immer wieder gesagt, jetzt gehst endlich.” Als ich ihn frage, ob er seine Kinder auch gegen Corona impfen lassen würde, schüttelt er den Kopf: “Ich tendiere zu Nein. Dazu will ich erst mehr Studien sehen.”

"Kinder impfen, nix"

Um die Ecke, vor den Türen des türkischen Friseursalons “Ottoman”, reagieren die jungen Männer eher unbeeindruckt auf die Frage, was sie von einer Impfaktion vor einer Moschee halten. Nur die zwei Ältesten lassen sich filmen, bekräftigten, “die Impfung ist gut, muss man impfen.” Selbst ist hier allerdings fast niemand geimpft. Auf eine Covid-Kinderimpfung reagieren sie entschlossen: ” Nein, Kinder nicht impfen. Erwachsene okay, aber Kinder? Nein.”

"Religion und Coronapolitik sollten voneinander getrennt sein"

Auf der Gudrunstraße treffe ich auf eine junge Tschetschenin, die auf den Bus wartet. Auf die Frage, ob sie sich impfen lassen wolle und was sie davon hält, dass vor der Moschee nun der Impfbus steht, zuckt sie mit den Schultern. Ihr sei das alles eigentlich egal. Sie wolle sich aber sicher nicht impfen lassen, davon halte sie nichts, und ihre Kinder sowieso nicht. Sie bittet uns, sie bloß nicht zu filmen. Als wir die Straße weiter abgehen, treffen wir auf eine Gruppe türkischer Frauen, es scheinen Großmutter samt Töchtern und einer Enkelin zu sein. “Ich finde, Religion und Coronapolitik sollten getrennt sein,” antwortet eine der Frauen auf die Frage, was sie von der Impfaktion vor der Moschee halte. Es sei sehr schade, dass jetzt ein Zwang entstehe. Sie seien alle nicht geimpft, wenn es aber zu einem Ausschluss aus der Gesellschaft führen würde oder Probleme im Berufsleben entstehen, müssten sie es dann wohl oder übel hinter sich bringen. Schlecht findet sie auch, “dass junge Menschen ohne Einverständnis der Eltern einfach impfen gehen können. Das ist ja alles noch nicht ausgetestet.” Ihre Mutter und Schwester nicken ihr zu und wiederholen das Gesagte.

Der eXXpress hat sich in Favoriten umgehörteXXpress

"Wenn nix müssen, dann ich mache nicht"

Auf einer Parkbank frage ich einen älteren Herrn, der rauchend auf sein Handy schaut, was er von der ganzen Thematik hält. Er habe davon nicht so viel Ahnung, erklärt er mit Akzent. Geimpft sei er nicht, er habe bald eine Operation und wolle nichts riskieren. Auf eine kommende 1-G Regel angesprochen, meint er:” Wenn müssen, dann mache ich. Wenn nix müssen, dann ich glaube ich mache nicht.”

In einem Park hinter der Kirche St. Johann Evangelist, nahe der Favoritner Hauptstraße, treffe ich auf zwei junge Mädchen. Ohne Kamera könnten wir gerne über das Thema reden, so das Mädchen mit hellem Kopftuch und strahlendem Lächeln, das sich als Selma vorstellt. Ich setze mich zu ihnen auf die Parkbank, die beiden sind freundlich und lachen viel. Über den Imfpfbus vor der Moschee scheinen sie nicht ganz glücklich. “Naja, eigentlich sollte man das schon trennen. Ich hab’ mich auch beim Stephansdom gewundert, dass da geimpft wird. Ich hab’ mir gedacht, also eigentlich ist das nicht der Sinn und Zweck vom Stephansdom.” Ihre Freundin Sebda ergänzt, die Moschee sei ” einfach der falsche Ort” für so etwas.  Grundsätzlich hätten sie zwar nichts dagegen, sie selbst wollten sich vorerst allerdings nicht impfen lassen.

"Wenn das Testen aufhört, bin ich arbeitslos"

Eine der beiden jungen Frauen arbeitet in einer Teststation. Als sie das erzählt, lacht sie und spricht einen Punkt an, der oft nicht berücksichtigt wird. “Naja, eigentlich sollen die ruhig weiter testen und impfen, weil dadurch habe ich ja meinen Job. Wenn das alles aufhört, bin ich arbeitslos.” Auf die Frage, wieso gerade sie, die in der Teststation arbeite, sich nicht impfen lassen wolle, meint sie:” Ja eben genau deswegen, weil wir jeden Tag damit zu tun haben. Die meisten meiner Kollegen sind auch nicht geimpft, obwohl wir dauernd mit Corona konfrontiert sind. Wir sehen halt, eine Infektion ist meistens nicht so schlimm, für uns Junge sowieso. Außerdem kann man auch als Geimpfter infiziert werden und das Virus weitergeben.” Über die Information durch Politik und Medien sind beide nicht ganz glücklich. “Die Medien müssen sich halt auch einmal einig werden – ist die Impfung jetzt sicher, schützt sie? Gibt es Nebenwirkungen? Es kursieren so viele Fake-News, dass man sich über gar nichts mehr sicher sein kann”, seufzt Sebda. Spannend ist auch, was die Mädchen von der Verwandschaft aus dem Ausland erzählen. “Bei uns sind die Verwandten in der Türkei alle schon geimpft. Hier sind die Leute viel skeptischer. ” Dies könnte auch mit den unterschiedlichen Gesundheitssystemen zusammenhängen, mutmaßen wir. Schlussendlich sind sich die beiden aber einig – wenn es zu einer Impfpflicht kommen würde und sie ohne 1-G aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen werden, dann sei die Impfung der letzte mögliche Ausweg. “Ich will ja nicht mein Leben aufgeben wegen dieser Sache” sagt Selma. Ich bedanke mich, die jungen Damen müssen los.

Der junge Vater war einer der wenigen, die sich gegenüber der Moschee beim Bus impfen ließ.eXXpress

"Egal was passiert, ich bleibe dabei"

Auf der Favoritner Haupstraße treffen wir zwei junge Männer, einer der beiden spricht mit mir vor der Kamera, stellt sich als Mario vor. Er wirkt sehr aufgeweckt, antwortet bedacht. Er sei neunzehn, eine Impfung käme für ihn nicht in Frage. Mario betont aber immer wieder, wie wichtig ihm die freie Entscheidung sei. “Jeder soll tun und lassen was er möchte. Ich will mich da auch nicht einmischen. Nur–ich will über mich und meinen Körper selbst entscheiden.” Sein Bruder habe sich impfen lassen, die Eltern und er seien “eher skeptisch.” Als ich ihn frage, ob sich seine Meinung ändern könnte, wenn er ohne Impfung aus gewissen Bereichen des Lebens ausgeschlossen werde, schüttelt er energisch den Kopf. “Egal was passiert, ich bleibe dabei,” so der junge Mann, der mit seinem Freund rauchend vor einem Hauseingang steht. An einer Busstation spreche ich eine junge Muslimin an, sie schüttelt nur den Kopf. “Ich habe dazu keine Meinung, ich hab’ beschlossen, ich halte mich da komplett raus.” Sie verabschiedet sich von uns, wünscht uns einen schönen Tag. Höflich sind alle jungen Menschen, mit denen ich hier spreche.

"Egal was kommt ,ich bleib dabei", sagt der 19-jährige Mario.eXXpress

"Das ist nix für junge Leute"

Wir spazieren weiter, treffen auf eine junge Frau Anfang zwanzig und ihre Mutter. Auch sie möchte nicht gefilmt werden, während unserem Gespräch wirkt sie sehr entschlossen und energisch. Nachdem sie kurz und knapp erklärt, sie wolle sich nicht impfen lassen, bekräftigt auch ihre Mutter: “Man weiß nicht, was da drin ist.” Die Frau mit ex-jugoslawischem Migrationshintergrund sieht die Sache ähnlich wie der junge Mann vom Hauseingang. “Ich bleibe dabei, egal was mir angedroht wird. Und ich finde das wirklich schlimm, dass es so weit kommen muss.” Ihre Mutter nickt energisch, ergänzt zum Ende des Gesprächs: “Schauen sie, bin ich geimpft. Aber ich habe zu meinen Kindern gesagt – ich will nicht, dass ihr impfen lasst’s. Das ist nix für junge Leute. Wer weiß, was Impfung mit den Jungen macht.”

Personen, die sich nicht impfen lassen wollen, sind keiner Gruppe zuzuteilen

Der Kameramann und ich sind erschöpft, die Sonne scheint auf die Favoritner Hauptstraße, es ist sehr warm. Die Gespräche, die ich führte, gaben ein vielfältiges Bild ab. Den Eindruck von “notorischen und radikalen Impfgegnern”, als die Falter-Chefredakteur Florian Klenk Ungeimpfte erst kürzlich bezeichnete, kann ich nicht teilen. Vielmehr gibt es neben der hochpolitisierten Medienblase, in der sich viele dieser Redakteure und Journalisten befinden, einen vollkommen unhomogenen Teil der Gesellschaft, der eine Impfung aus verschiedensten Gründen ablehnt. Sprachprobleme waren auch dieses Mal, entgegen dem Narrativ einiger Politiker, in keinster Art und Weise das Problem – die jungen Menschen, die ich interviewte, hatten allesamt Migrationshintergrund, Wienerisch war jedoch hörbar ihre zweite Muttersprache.  Schon die Reportage, die ich vor zwei Wochen in den Arbeiterbezirken Meidling und Rudolfsheim-Fünfhaus machte, bewies, dass es nicht die eine Religions- oder Migrantengruppe gibt, die sich geschlossen gegen Impfungen stellt, sondern dass neben dem Umfeld auch individuelle Erlebnisse eine Rolle spielen. So erzählte mir beispielsweise eine dreifache Mutter mit tschetschenischem Background, dass ihr Bruder wegen eines Impfschadens an den Rollstuhl gefesselt sei, und deswegen die ganze Familie beschlossen hatte, sich und die Kinder gegen überhaupt nichts mehr impfen zu lassen.

Resultat: Impfbereitschaft gering, Angst vor Ausgrenzung ausschlaggebend

Ich traf in Favoriten nur auf wenige, die einer Impfung gegenüber positiv eingestellt waren. Auch die Personen, die ich vor dem Impfbus interviewte, hatten sich vorwiegend aufgrund von Druck oder Bequemlichkeit zu diesem Schritt entschieden – niemand erwähnte einen gesundheitlichen Aspekt.

Dass das Auftreten Michael Ludwigs vor der Moschee an der niedrigen Impfquote etwas ändert, ist stark zu bezweifeln. Die letzten Impfwilligen müssen mühsam eingesammelt werden, keine der Impfaktionen der Stadt Wien war bisher ein Erfolg. Auch die beiden freundlichen jungen Frauen in grünen T-Shirts, die in der Nähe des Impfbusses durch die Gassen streiften und versuchten, Menschen zu einer spontanen Impfung zu überreden, waren während unserer Anwesenheit nicht erfolgreich.  Dass eine weitere Impfkampagne oder eine andere “flippige” Idee die Durchimpfungsrate drastisch verändern kann, daran glaubt hier kaum einer. Mehrere Male hörte ich bei meinen Interviews den Satz: “Wenn ich muss, dann mache ich’s. Davor aber nicht.”

Ausgrenzung Ungeimpfter wird im Herbst beginnen

Ob eine Durchimpfung der jungen Menschen und Kinder wirklich nötig ist und ob sie für einen “sorgenfreien” Herbst wirklich mit drastischen Mitteln wie Zugangsbeschränkungen zur Gastronomie, Fitnessstudios, vielleicht sogar Bildungseinrichtungen, erzwungen werden muss, ist eine Frage, die zu heftigen Diskussionen führt. Die Tatsache, dass man mit solchen Zwangsmaßnahmen junge Menschen, wie beispielsweise die junge Tschetschenin bei der Busstation oder den neunzehnjährigen Mario aus der Gesellschaft ausschließt, ist auch Politikern wie Michael Ludwig oder Stadtrat Peter Hacker bewusst. Dass sie entgegen ihrer als “menschenfreundlich” und “bunt” angepriesenen Politik im Herbst beginnen werden, diesen gewissen, meiner Meinung nach völlig unhomogenen, Teil der Bevölkerung aus dem öffentlichen Leben auszuschließen, ist dennoch leider anzunehmen.