Eine parallele Geldwelt, kontrolliert von privaten Unternehmen, in der die EZB keinen Einfluss hat, war die Befürchtung der Banker. Aus diesem Grund musste die EZB nun handeln. Vergangene Woche gab sie den Startschuss für die Einführung des digitalen Euros. Auf den ersten Blick klingt das wenig spekatkulär, werden mittlerweile sehr viele Geldtransaktionen bargeldlos getätigt. Doch am Ende steht die Revolution des Geldsystems, eine neue Form des Geldtransfers – vom Sparen über das Ausgeben bis hin zur Kreditvergabe und damit könnte es zum Tod der Banken führen.

Während es für den Verbraucher keinen Unterschied macht, ob er bargeldlos zahlt oder Scheine hinlegt tut es das für die EZB eben sehr wohl. Schließlich stammt das Geld von ihr. Sie hat es gedruckt und in Umlauf gebracht, sie steht dafür ein – im Unterschied zum Giralgeld der Banken. So nennt man Geld, das auf Konten lagert und per Knopfdruck überwiesen wird. Geld, das es nur in den Büchern der Banken gibt, die auch dafür gerade stehen müssen.

Die dritte Form des Geldes

Der digitale Euro würde eine dritte Form des Geldes schaffen: Digitales Zentralbankgeld. Dieses würde wie Banknoten und Münzen von der Europäischen Zentralbank stammen, aber sie würde es eben nicht auf Papier drucken oder auf Metall prägen, sondern in digitaler Form ausgeben. „Der digitale Euro verbindet die Sicherheit von Bargeld mit dem Komfort und dem Innovationspotenzial digitaler Bezahlmöglichkeiten“, sagt Jörg Zeuner, Chefvolkswirt von Union Investment zu Welt.
Wenn irgendwann gar kein Bargeld mehr genutzt würde, verschwände damit das Zentralbankgeld aus dem Alltag, und es gäbe nur noch das Giralgeld der Banken. „Unsere Arbeit soll sicherstellen, dass Privatpersonen und Unternehmen im digitalen Zeitalter weiterhin Zugang zu der sichersten Form von Geld – dem Zentralbankgeld – haben“, sagte daher EZB-Präsidentin Christine Lagarde bei der Vorstellung des Projekts am Mittwoch.

Damit bereitet man sich auf eine Zeit vor, in der kaum noch jemand mit Bargeld zahlen möchte. Während die Österreicher, wie auch ihre deutschen Nachbarn, noch sehr an Banknoten und Münzen hängen, ist die Bargeldnutzung beispielsweise in Finnland in den Jahren von 2016 bis 2019 um 20 Prozent gesunken, in den Niederlanden immer noch um 10 Prozent.

Gegengewicht zur US-Vormacht

Auch die Furcht vor einer amerikanischen Dominanz hat die EZB zu diesem Schritt bewogen. Denn Bargeld ist eine typisch „europäische“ Zahlungsart. Bei Kartenzahlungen dominieren US-Firmen wie Mastercard und Visa, deren Stellung umso mächtiger wird, je mehr bargledlos gezahlt wird. „Setzt sich diese Entwicklung fort, könnte die Durchsetzung europäischer Gesetze und der Schutz von Zahlungsdaten europäischer Unternehmen und Bürger schwierig werden“, schreibt Heike Mai, Expertin für den Zahlungsverkehr bei der Deutschen Bank, in einer aktuellen Analyse. Der digitale Euro stelle daher sicher, dass es nach wie vor eine rein europäische Alternative gibt.

Vorteile und Nachteile

Gleichzeitig darf man aber die positiven Aspekte nicht außer Acht lassen: Denn in dem Moment, wo sich jemand einen digitalen Euro beispielsweise auf sein Handy lädt, hat er ein Konto direkt bei der Europäischen Zentralbank. Und da derzeit fast alle Zentralbanken auf der Welt an entsprechenden digitalen Formen ihres Bargelds arbeiten, könnten Verbraucher dann innerhalb von Sekunden und völlig kostenlos Geld selbst in ferne Länder schicken, von dem Konto bei der EZB etwa zu einem Konto bei der amerikanischen Fed oder der Schweizerischen Nationalbank.

Doch kein Vorteil ohne Nachteil: Die digitale Form kann nie so anonym sein wie die althergebrachte. Ein Euro-Schein kann immer nur einmal ausgegeben werden, ein digitaler Euro könnte jedoch auch mehrmals ausgegeben werden – auch wenn es nur über Manipulation möglich ist. Das muss ausgeschlossen werden können. Auch krimineller Missbrauch wie Geldwäsche muss verhindert werden, sonst öffnet das digitale Geld Kriminellen Tür und Tor. Doch jede Kontrolle erfordert einen gewissen Grad der Nachverfolgbarkeit, und damit geht die Anonymität des Bargelds verloren.