Die Europäische Kommission fordert die Einführung “fairer Mindestlöhne”. Nun scheint sie dieses Ziel auch zu erreichen, auch wenn die Umsetzung weniger streng werden dürfte, als von der Kommission zunächst gewünscht. Nach dem Europäischen Parlament hat sich am Montag auch der Ministerrat, das Gremium der Mitgliedstaaten, hinter den Vorschlag gestellt.

Keine allgemein Untergrenze, aber verbindlicher Orientierungsrahmen

Damit liegt die EU einheitliche Kriterien fest, nach denen die Mitgliedstaaten ihren Mindestlohn festlegen sollen. Diese Kriterien umfassen die allgemeine Lohnentwicklung, die Entwicklung der Produktivität, aber auch die Kaufkraft der Mindestlöhne angesichts der Lebenshaltungskosten. Eine allgemeine Untergrenze für nationale Mindestlöhne ist nicht geplant. Allerdings solle ein fairer Lohn 60 Prozent des mittleren Einkommens oder Medianlohns überschreiten. Dies sei aber ein nicht verbindlicher Orientierungsrahmen erwähnt. Die Europäische Kommission wollte das ursprünglich strikter fassen, doch damit hätte sie die in den EU-Verträgen verankerten Kompetenzen der EU überschritten.

Die Wiener Grünen haben forderten 2010 anlässlich des "Tags der Arbeitslosen" zu einer Kundgebung am Wiener Meiselmarkt auf. Die Forderung: "Mindestlohn statt Manager-Million"GEORG HOCHMUTH/APA

Auch eine Pflicht zur Einführung von Mindestlöhnen ist nicht vorgesehen. Momentan gibt es in 21 Mitgliedstaaten einen gesetzlichen Mindestlohn. Österreich, die skandinavischen Staaten und Italien gehören nicht dazu. Für massive Diskussionen dürfte aber ein weiterer Aspekt des neuen Gesetzes sorgen: die Vorgaben, dass für mindestens 70 Prozent der Beschäftigten in den Staaten Tarifverträge gelten sollen. Die Kommission hatte das vorgeschlagen, weil in Staaten mit hoher Tarifbindung – wie Österreich – höhere Löhne gezahlt werden. Erreichen die Staaten diese Schwelle nicht, müssen sie der Kommission einen Aktionsplan dafür vorlegen, wie sie das ändern wollen.

Knackpunkt höhere Tarifbindung: Österreich übertrifft die geplante Schwelle

Das Europäischen Parlament will die Staaten sogar auf eine noch höhere Tariflohnbindung von 80 Prozent verpflichten. Hier droht Streit. Die Schwelle übertreffen nur wenige Staaten: Österreich, Frankreich, Italien, Belgien, Finnland, Dänemark und Schweden. Bis auf Frankreich und Belgien sind das allerdings alles Länder ohne gesetzlichen Mindestlohn. Es wird sich zeigen, ob sich hier Parlament und Ministerrat noch auf eine gemeinsame Position einigen.

Gegen den Vorschlag stimmten die Minister von Dänemark und Ungarn. Deutschland und Österreich enthielten sich – im Falle Deutschlands wegen des Regierungswechsels. Deutschland signalisierte aber, den Text grundsätzlich mitzutragen.