Während ein ganzes Team von Plagiatsjägern aktuell die Dissertation der grünen Justizministerin untersucht, muss sich die Ex-Parteifreundin des Listengründers Peter Pilz nun noch mehr Fragen zu ihrer Karriere stellen:

Justizministerin Alma Zadic war im Jahr 2011 ihrem Lebenslauf zufolge Chefredakteurin bei einem renommierten Forschungszentrum in New York. So steht es auf der Homepage des Justizministeriums, so steht es bei Wikipedia, so schildert es auch ihr Pressesprecher. Er spricht gegenüber dem eXXpress von einer”Fachzeitschrift”.

Den Recherchen des eXXpress zufolge war Zadic aber nie Chefredakteurin, vielmehr assistierte sie damals einem Chefredakteur. Allerdings auch nicht bei der Produktion und Organisation der Fachzeitschrift, sondern bei der Veröffentlichung von 15 Artikeln von je drei Seiten Länge (oder eigentlich noch weniger, siehe unten).

Laut Lebenslauf war Zadic Leiterin einer Redaktion in New York

Ein Chefredakteur ist Vorgesetzter einer Redaktion. Er entscheidet, was erscheint, und leitet die Redaktionsarbeit, die restliche Redaktionsmannschaft arbeitet ihm zu.

Eine solche Funktion soll auch Alma Zadic in New York innegehabt haben – zumindest ist das ihrem offiziellen Lebenslauf zu entnehmen – und zwar am Columbia Center on Sustainable Investment (CCSI), einem Zentrum für angewandte Forschung. Das CCSI gehört zur angesehenen Columbia University, an der Zadic gemäß ihrem Lebenslauf auch Gastwissenschafterin war.

Welche Fachzeitschrift?

Wer sich fragt, um welche Fachzeitschrift dieses Forschungszentrums es sich hierbei handelt, stößt auf “Columbia FDI Perspectives”, auf die auch Zadic’ Pressesprecher Clemens-Maria Sampl verweist. Hier beginnen die Fragezeichen.

Bei “Columbia FDI Perspectives” handelt es sich nicht um eine Zeitschrift, sondern um eine Reihe von Beiträgen zu aktuellen Themen. Seit 2008 sind unter dem Titel 323 kurze Aufsätze erschienen. Also: Es sind nicht etwa Zeitschriftenhefte oder ähnliches erschienen. Zadic war im Jahr 2011 für 15 davon (Nummer 35 bis 49) zuständig. Jeder Beitrag ist drei Seiten lang, abzüglich des Impressums zu Beginn und des Verweises auf andere Ausgaben am Ende sind es zwei Seiten: So lange ist der eigentliche Text.

Chefredakteur war damals eindeutig jemand anderer

Bei der Bezeichnung für die Aufgabe, die Zadic damals übernommen hat, stößt man nicht auf das übliche “Editor-in-Chief” (für Chefredakteur), sondern irritierenderweise auf die englische Bezeichnung “Managing Editor“.

Nun weist Zadic’ Pressesprecher daraufhin: “Managing Editor” wird von sämtlichen Online-Wörterbüchern wie Leo, Linguee, deepL und Google Translator mit “Chefredakteur” übersetzt. Das ist zwar nicht die einzige Übersetzung, aber eine gängige. Die Sache hat nur einen Haken: Einen “Chief editor” gab es bei “Columbia FDI Perspective” ebenfalls, und der war der eigentliche Chef und Vorgesetzte von Zadic.

Alma Zadic war "Managing Editor"

“Managing Editor” und “Editor in Chief” sind nicht dasselbe, schon gar nicht in ein und derselben Redaktion. Die passende Übersetzung für “Managing Editor” wäre wohl “leitender Redakteur” oder eventuell “geschäftsführender Redakteur”. Mehrere englischsprachige Aufsätze befassen sich mit dem Unterschied zum Chefredakteur: “Die Bezeichnungen ‘Chefredakteur’ (‘Editor in Chief’) und ‘leitender Redakteur’ (‘Managing Editor’) werden manchmal von Leuten synonym verwendet, die den Unterschied zwischen den beiden Rollen nicht verstehen”, unterstreicht ein Artikel. “Es handelt sich um zwei verschiedene Aufgaben.” In einer Zeitung beaufsichtigt der “geschäftsführende Redakteur direkt das Tagesgeschäft der Publikation und berichtet dem Chefredakteur.” Der “Managing Editor untersteht dem Chefredakteur der Publikation und leitet mehrere Redakteure”, heißt es in einem anderen Aufsatz. 

Über ein größeres Redaktionsteam ist bei “Columbia FDI Perspective” nichts zu finden. Justizministerin Zadic kann nicht viel mehr getan haben, als dem eigentlichen Chefredakteur zuzuarbeiten, der über jede Publikation entschieden hat. Möglicherweise hat sie Korrektur gelesen, sich eventuell um die rechtzeitige Publikation gekümmert und ähnliches mehr. Das sei auch alles anerkannt – nur entspricht es nicht der Tätigkeit des Chefredakteurs einer Fachzeitschrift, und es entspricht auch nicht dem, woran man denkt, wenn sich Zadic in ihrem Lebenslauf als “Chefredakteurin” bezeichnet.

Ein Fehler kommt selten allein

Nicht eine Sekunde hätte sich der eXXpress für diesen Karriereschritt im Lebenslauf der Justizministerin interessiert, wäre er nicht zuvor auf Auffälligkeiten in ihrer Doktorarbeit gestoßen.

Die Sachlage erinnert jetzt stark an die Causa der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock: Bei dieser Grünen begann es mit Unstimmigkeiten zu ihrem Völkerrechtsstudium und endete mit mehr als einem Dutzend Falschangaben und Übertreibungen in ihrem Lebenslauf und 100 nachgewiesenen Plagiaten in ihrem Buch.

Annalena Baerbock: Es begann mit einer offenen Frage zu ihrem Völkerrechtsstudium – und endete mit mehr als einem Dutzend Fehlern in ihrem Lebenslauf und 100 nachgewiesenen Plagiaten in ihrem Buch.APA/AFP/POOL/Michael Sohn

Soll Alma Zadic als Justizministerin zurücktreten?