Der Euroraum ist mittlerweile in die höchste Inflation seiner Geschichte geschlittert, weit höher, als die Europäische Zentralbank (EZB) prognostiziert hat. Im Jänner waren die Verbraucherpreise um 5,1 Prozent höher als im Vorjahresmonat.

Doch die EZB hält weiterhin an ihrer lockeren Geldpolitik fest – wie der eXXpress schon mehrfach berichtet hat – obwohl sie offiziell eigentlich einem Inflationsziel von zwei Prozent im Jahresdurchschnitt verpflichtet ist. Früher noch war das anders. Da hat die EZB umgehend auf eine steigende Inflation reagiert, wie die Wiener Denkfabrik Agenda Austria nun aufzeigt.

Der ultralockere Geldpolitik startete 2012

In den ersten zehn Jahren ihres Bestehens begegnete die EZB steigenden Preisen mit höheren Zinsen, um so der Verteuerung entgegenzuwirken. Das ändert sich erst im Sommer 2012. Der damalige EZB-Chef Mario Draghi erklärte, alles für den Zusammenhalt und Fortbestand des Euroraums zu tun – “Whatever it takes”. Damit läutete er die ultralockere Geldpolitik ein, aus der die EZB bis heute nicht mehr hinaus findet.

Der Leitzinssatz wurde in der Folge kontinuierlich nach unten gedrückt, bis er drei Jahre später bei Null angekommen war. Doch das war nicht alles. Darüber hinaus wurde die Geldpolitik um weitere unkonventionelle Maßnahmen erweitert, allen voran um den Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen.

Der EZB droht ein Glaubwürdigkeitsverlust

2022 hält die Zentralbank an diesem Kurs fest, trotz der höchsten Inflation, die man in der Eurozone je erlebt hat. Die Geldpolitiker begründen ihre Entscheidung damit, dass sie die hohen Inflationsraten als vorübergehendes Phänomen einstufen. Agenda Austria-Ökonomin Heike Lehner widerspricht: “Mittlerweile gibt es immer mehr Beweise dafür, dass die Inflation auch längerfristig hoch bleibt. Will die EZB glaubhaft bleiben, wird sie allerspätestens bei der nächsten Sitzung im März Farbe bekennen müssen. Also dann, wenn sie ihre neuen, sehr wahrscheinlich höheren, Inflationsprognosen präsentiert.”

Jüngste Wortmeldungen von EZB-Ratsmitgliedern lassen allerdings anderes erwarten.

Zinserhöhung vor Sommer unwahrscheinlich

Das niederländische Ratsmitglied Klaas Knot rechnet zwar angesichts der hohen Inflation noch in diesem Jahr mit einer ersten Zinsanhebung, die solle aber erst im vierten Quartal erfolgen, eine zweite Zinsstraffung könne dann im Frühjahr 2023 erfolgen. Ähnlich äußerte sich der lettische Notenbankchef Martins Kazaks. Es sei zurzeit verfrüht, schon einen speziellen Monat für eine Zinserhöhung zu nennen. Bis Juli sei eine Zinswende aber unwahrscheinlich: Dazu müssten die Anleihenzukäufe der EZB in einem “extremen und unwahrscheinlich schnellen Tempo” abgebaut werden.

Insidern zufolge wollten einige Währungshüter auf der Sitzung in der vorigen Woche bereits Schritte zur Eindämmung der Inflation einleiten, doch ohne Erfolg. Immerhin hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde vergangene Woche erste Hinweise auf eine straffere Geldpolitik gegeben, allerdings blieb sie dabei vage.