Von einem „neuen Irrsinnsprojekt“ der EU-Kommission spricht Prof. Markus C. Kerber von der TU Berlin im Gespräch mit eXXpress-Redakteur Stefan Beig. Was die EU hier vorhabe sei rechtswidrig, undemokratisch, gigantische Geldverschwendung zulasten der Steuerzahler und schade besonders kleinen Ländern wie Österreich. „Die Europäische Kommission hat scheinbar vollständig den rechtlichen Rahmen, in dem sie tätig werden darf, aus den Augen verloren“, warnt Kerber, der Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik lehrt.

„Warum sollen Europäer ein Land aufbauen, das sie nicht zerstört haben?“

Es geht um den neuesten Plan von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Diese will einen „Wiederaufbau-Fonds“ für die Ukraine auf die Beine stellen, der mehrere hundert Milliarden Euro (!) kostet. Dafür soll die EU – nicht zum ersten Mal – gemeinschaftlich Schulden aufnehmen.

Prof. Markus C. Kerber: „Es wird zu erheblichen Protesten kommen“eXXpressTV

„Es wird zu erheblichen Protesten kommen“, meint Kerber. „Warum sollen die europäischen Bürger ein Land aufbauen, das nicht sie zerstört haben, sondern die östlichen Nachbarn?“, fragt der Wirtschafts- und Rechtsexperte.

Keiner weiß, was mit Euro-Milliarden in Rumänien und Bulgarien passiert ist

Im Übrigen fehlen der Ukraine rechtsstaatliche Strukturen, die jenen der meisten europäischen Staaten gleichwertig sind. Dieses Manko wurde schon bei der Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in die EU ignoriert, beklagt Kerber. „Auch diese beiden Staaten haben Milliarden von der EU erhalten. Doch die Gelder sind nicht die Lösung, sondern das eigentliche Problem. Was mit ihnen passiert ist, weiß bis heute keiner.“ Bei der Ukraine, die zehn Mal so groß ist wie Bulgarien, werde es nicht anders sein.

Prof. Markus C. Kerber (r.) im Interview mit eXXpress-Redakteur Stefan BeigeXXpressTV

Von der Leyen will in Wahrheit nur die Macht der Kommission ausweiten, vorbei an den Bürgern: „Die Europäische Kommission befindet sich in einer einmaligen Situation: Sie ist unabhängig, aber niemandem zur Rechenschaft verpflichtet. Sie ist frei, Initiativen zu ergreifen, und sie nutzt jede Möglichkeit, um im Interesse ihrer Machtvervollkommnung ihre Befugnisse zu erweitern.“ Der Kommission fehlt aber die Befugnis, Steuern einzuheben. Deshalb sollen nun – auf dem Rücken der Steuerzahler – gemeinschaftlich Schulden aufgenommen werden.

Die EU ist zu diesem Vorgehen nicht berechtigt

Besonders pikant: Ursula von der Leyens Vorgehen ist „rechtswidrig“ und widerspricht den EU-Verträgen, wie Kerber festhält. „Die EU kann nicht einfach sagen: Da gibt es Länder, die brauchen Geld und die wollen wir wieder aufbauen. Sie ist dazu nicht ermächtigt, weder hinsichtlich der Aufgabe noch der Finanzierungsart.“

Österreich und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) könnten den Plan durch ein Veto verhindern.APA/TOBIAS STEINMAURER

Prof. Markus C. Kerber scheint mit Blick auf die EU zu befürchten, wovor schon Kirchenvater Augustinus von Hippo gewarnt hat, allerdings mit Blick auf den Staat: “Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande.“

Österreich könnte das Vorhaben durch ein Veto verhindern

Nicht minder pikant: Die EU-Kommission hat bereits selbst – abseits der Waffenlieferungen der Staaten – zwei Milliarden Euro an Steuergeldern für die Zustellung von Waffen an die Ukraine ausgegeben. Dafür wurden Gelder verwendet, die ursprünglich eigentlich für Friedensmissionen im Ausland gedacht waren.

Österreich sollte größtes Interesse daran haben, die Pläne der Kommission zu verhindern, unterstreicht Kerber. „Hier werden die Österreicher am Wiederaufbau eines sehr großen Landes beteiligt, das mehr als 40 Millionen Einwohner hat.“ Allerdings herrsche in der EU Einstimmigkeitsprinzip – „Gott sei Dank.“ Ohne Österreichs Stimme kann Ursula von der Leyen ihr Vorhaben nicht durchsetzen. Deshalb hat Österreich ein Veto-Recht – „und das muss es nutzen“.

„Künftig sollen die Bürger übergangen werden“

Demokratiepolitisch sind die Pläne höchst bedenklich. „Momentan werden die Bürger noch nicht übergangen“, hält Prof. Kerber fest. „Künftig sollen sie aber übergangen werden. Die EU-Kommission will das Einstimmigkeitsprinzip abschaffen. Dann müssten sich kleinere Länder den Mehrheitsentscheidungen fügen. Bei qualifizierter Mehrheit für einen solche Ukraine Fonds wäre dann die Fiskaldemokratie zu Ende.“

Für Kerber steht fest: „Das Einstimmigkeitsprinzip beschützt uns noch davor, dass diese Brüsseler Kommissionsoligarchie machen kann, was sie will. An der Einstimmigkeit muss man unbedingt festhalten.“