Viele wissen nicht, was hinter der sogenannten “kalten Progression” steckt. Die Wiener Denkfabrik Agenda Austria nennt sie “Inflationssteuer”. Aus gutem Grund. Diese versteckte Besteuerung verschafft dem Staat nämlich “dank” der Inflation kräftige Zusatzeinnahmen. In Zeiten der permanent steigenden Spitzeninflation – wie jetzt – ist diese jährliche Zusatzbelastung daher besonders groß.

Starre Steuertarife trotz Inflation

Löhne, Gehälter und Pensionen werden in Österreich je unterschiedlich stark besteuert: je höher der Verdienst, je höher die Steuer. Gleichzeitig verlieren die Bürger jedes Jahr an Kaufkraft durch die Inflation. Das ist mit ein Grund für die steigenden Bruttolöhne jedes Jahr, wie sie gemäß den Kollektivverträgen vorgesehen sind.

Wem durch Gehaltssteigerungen nur die Inflation ersetzt wird, der verdient zwar gemäß seinem Lohnzettel mehr, doch seine Kaufkraft bleibt aber gleich. Das Problem: Die Tarifstufen des Steuersystems ändern sich nicht. Das Ergebnis: Der betroffene Bürger schlittert trotz stagnierender Kaufkraft in höhere Tarifstufen und muss mehr Steuern zahlen.

Durchschnittsverdiener verlieren mehrere hundert Euro pro Jahr

Die massive Teuerung, die wir zurzeit erlebt, wird daher die steuerliche Belastung massiv steigern. Eine Person mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von derzeit 4000 Euro wird – je nach Entwicklung der Inflation – bis zum Jahr 2025 jährlich 700 bis 1000 Euro verlieren. Wer 3000 Euro monatlich brutto verdient, verliert mindestens 550 Euro pro Jahr, bei noch stärkerer Inflation sogar mehr als 850 Euro pro Jahr, und somit 3400 Euro innerhalb von vier Jahren.

In absoluten Zahlen belastet die kalte Progression damit höhere Einkommen stärker. Anders sieht es aus, wenn man die zusätzliche Last in Relation zum Bruttoeinkommen setzt: Dann werde geringe wie höhere Einkommen stark belastet.

Die Schweiz und Schweden zeigen, wie es geht

Die einfachste Weg, um die kalte Progression zu beseitigen, wäre eine automatische Anpassung der Tarifgrenzen an die allgemeine Teuerung. Andere Länder machen vor, wie das geht. Die Modelle in der Schweiz und in Schweden garantieren eine vollständige Kompensation, wie Berechnungen der Agenda Austria ergeben. Besonders einfach ist dabei das Schweizer Modell: Die Tarifstufen werden automatisch jedes Jahr an die Inflation angepasst.

Die kalte Progression in Österreich würde bei der jetzigen Inflation bis 2025 zu zusätzlichen Staatseinnahmen von mehr als zehn Milliarden Euro führen. Etwas geringer sind die Zusatzeinnahmen in Spanien und Mexiko.

Sollte die Inflation auf dem jetzigen Niveau bleiben, so gibt es in der Schweiz in den kommenden Jahren überhaupt keine zusätzlichen Einnahmen (siehe Abbildung). In Österreich würde das jetzige Modell der kalten Progression bis 2025 hingegen zu zusätzlichen Staatseinnahmen von mehr als zehn Milliarden Euro führen. Etwas geringer sind die Zusatzeinnahmen in Spanien und Mexiko.

Falls sich die Inflation noch weiter erhöht und sich der Ukraine-Krieg verschärft, drohen in Österreich sogar zusätzliche Staatseinnahmen von mehr als 14 Milliarden Euro.

Wird sich der Finanzminister durchsetzen?

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) würde die kalte Progression tatsächlich gerne mit 2023 abschaffen, wie er kürzlich angekündigt hat – der eXXpress berichtete. “Scheitert das Vorhaben die kalte Progression abzuschaffen, wird das den Steuerzahler teuer kommen”, sagt die Agenda Austria. In Wahrheit ist die Abschaffung der kalten Progression gar keine Entlastung, “sondern das Abstellen einer geheimen Steuererhöhung”, wie Agenda Austria-Leiter Franz Schellhorn unterstreicht.

Um die hohe Belastung des Faktors Arbeit nicht noch weiter steigen zu lassen, plädiert die Agenda Austria für eine Anpassung des Steuersystems nach Schweizer Vorbild.