Frankreichs liberaler Präsident Emmanuel Macron, der erst Ende April als Staatsoberhaupt bestätigt worden war, hat nach der ersten Runde der Parlamentswahl Aussicht auf eine klare Mehrheit in der Nationalversammlung. Auch wenn die ersten Hochrechnungen des Abends nach Wahlschluss das Bündnis des Präsidenten mit 25,2 bis 25,6 Prozent nahezu gleichauf mit dem Bündnis seines härtesten Konkurrenten Jean-Luc Mélénchon, sah, das 25,2 bis 26,1 Prozent erreichte, scheint es sehr wahrscheinlich, dass Macron am Ende erneut knapp den Triumph davonträgt. Prognosen gehen bei der Sitzverteilung nach der zweiten Wahlrunde in einer Woche nämlich von einer deutlichen Mehrheit für das Bündnis des Liberalen aus.

Demzufolge könnte das Macron-Lager auf etwa 255 bis 310 der 577 Sitze in der Nationalversammlung kommen. Unklar ist, ob eine absolute Mehrheit mit mindestens 289 Sitzen erreicht wird.

Le Pen erzielt "immensen Sieg"

Macrons wiederholte Herausforderin bei den Präsidentschaftswahlen, die Rechtspopulistin Marine Le Pen, gegen die er sich im April zum zweiten Mal hatte durchsetzen können, zieht nach eigener Aussage in ihrem Wahlkreis in Hénin-Beaumont in die Stichwahl am kommenden Sonntag ein. Ihre rechtsnationale Partei Rassemblement National kam Prognosen auf rund 19 Prozent, konnte aber wegen der Ächtung durch die anderen Parteien nur mit zehn bis 45 Mandaten rechnen. Le Pen bezeichnete das Abschneiden ihrer Partei dennoch als “immensen Sieg” und rief dazu auf, dem Lager von Präsident Macron in der Stichwahl die absolute Mehrheit zu verwehren.

Parlamentswahlen entscheidend für Macrons Vorhaben

Bei der Parlamentswahl geht es für Macron darum, ob er seine Vorhaben auch in seiner zweiten Amtszeit wird umsetzen können. Diese sind etwa die umstrittene Pensionsreform, Kaufkrafthilfen in der Krise sowie dringend nötige Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitswesen. Auch die Umweltpolitik will der Liberale stärker in den Fokus rücken, neben erneuerbaren Energien vor allem aber den Ausbau der Atomkraft vorantreiben. Für all das benötigt er eine Mehrheit im Parlament. Die zweite Kammer, der Senat, ist dabei weniger wichtig als die Nationalversammlung und derzeit konservativ geprägt.

Sollten die Stimmen am Ende nur für eine relative Mehrheit reichen, wären der Präsident und die Regierung gezwungen, Unterstützung aus den anderen Lagern zu suchen. Wahrscheinlich ist, dass es dann eine Minderheitsregierung gibt, die sich je nach Vorhaben auf Mitte-Links- oder Mitte-Rechts-Kräfte zu stützen versucht.

Niedrige Wahlbeteiligung

Auch wenn viele Franzosen unzufrieden mit Macrons erster Amtszeit waren, profitierte der 44-Jährige davon, dass die Parlamentswahl in Frankreich als Bestätigung der Präsidentschaftswahl empfunden wird. So nehmen traditionell vor allem Unterstützer des Gewinners an der Abstimmung teil, andere bleiben häufig zu Hause. Die Wahlbeteiligung am Sonntag war allerdings mit etwas mehr als 50 Prozent historisch niedrig.