Zum ersten Jahrestag der Ukraine-Invasion beschwören einige Politiker neuerlich ihre ungebrochene Unterstützung für die Ukraine, allen voran US-Präsident Joe Biden, EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Unbeeindruckt von all dem zeigt sich der bekannte deutsche Journalist Gabor Steingart. Seine überraschende Feststellung einem Gastbeitrag für „Focus“: „Die öffentliche Unterstützung für die Ukraine erodiert.“

Gabor Steingart gehört zu Deutschlands erfolgreichsten Journalisten und Medienunternehmern.gabor steingart

Keine Überzeugungsarbeit: Politik erklärt nicht ihre Motive

Gemäß Steingart bauen die jetzigen Slogans primär eine Nebelwand auf. Kiews Unterstützer Kiews schon längst „sich und ihre Motive“ erklären, was sie aber nicht tun. „Der Glaube, der Freiheitskampf der Ukrainer sei selbsterklärend, ist ein Kinderglaube. Es geht um Interessen, nicht nur Gerechtigkeit.“ Es brauche dringend Überzeugungsarbeit, die aber fehle: „Die Regierungen sind ihren Steuerzahlern, aber auch ihren Militärbediensteten Rechenschaft schuldig über die Investitionen, die sie hier vornehmen und die Risiken, die sie eingehen.“ Wenn die Politik hier unklar bleibe, „könnte der Ukraine-Krieg, genauso wie übrigens einst der Vietnamkrieg, an der mangelnden Unterstützung in jenen Staaten scheitern, die diesen Krieg auf westlicher Seite finanzieren.“

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beschwört die geschlossene Front gegen Russland im Ukraine-Krieg. Doch im Hintergrund wächst der Widerstand, sagt Steingart.APA/AFP/Fabrice COFFRINI

Gabor Steingart ist Herausgeber des Newsletters „The Pioneer Briefing“. Der gleichnamige Podcast ist Deutschlands führender Daily Podcast für Politik und Wirtschaft. Zurzeit sieht der Top-Journalist vor allem drei Gruppen, die sich gegen die Ukraine-Unterstützung zunehmend auflehnen: die „pazifistisch Bewegten“, „Sanktionsboykotteure“ und die „beinharten politischen Gegner der Ukraine“. Und: „Alle drei Gruppen, das macht die Entwicklung für die Ukraine so gefährlich, sind in den demokratischen Staaten dieser Welt zu Hause.“

Sanktionsverweigerer: Sogar die Polen gehören dazu

Zu der Gruppe der Sanktionsverweigerer gehört paradoxerweise ausgerechnet Polen, der „Falke“ unter Putins Gegnern, der laufend noch mehr Waffen  und Entschlossenheit im Ukraine-Krieg einfordert. Doch mit dem Öl-Embargo nimmt man es auch in Warschau nicht so genau. „Anfang Februar gab Maciej Małecki, Staatssekretär im Ministerium für Staatsvermögen, zu, dass Polen weiterhin zehn Prozent seines Öls – 20.000 Tonnen pro Monat – aus Russland bezieht.“ Ähnlich ist die Lage bei anderen Rohstoffen. So ist Putin weiterhin der wichtigste Kohle-Lieferant der Deutschen – der eXXpress berichtete. Deutschland bezog im vergangenen Jahr 13 Millionen Tonnen Steinkohle aus Putins Russland.

Darüber hinaus gibt es bis heute kein Gas-Embargo der EU. Russisches Gas gelangt – abseits von Nordstream 1 und 2 – auf anderen Wegen nach Europa, sei es über die Pipelines Transgas und Turkstream, sei es auf Umwegen über Indien, einem Profiteur der Sanktionen.

Das gilt ganz besonders für Österreich: Wie der eXXpress berichtete. Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte vollmundig angekündigt, sie und ihr Ministerium würden „unter Hochdruck“ arbeiten, um Österreich „ganz“ von russischem Gas zu befreien. Nichts da: Der Anteil russischer Importe schnellte von 17 auf 71 Prozent hoch. Und es wird wohl so weitergehen.

Pazifisten: Die Front ist breiter, als manche glauben

Unter die zweite Gruppe der pazifistisch Gesinnten, die für ein rasches Kriegsende sind, mengen sich mittlerweile prominente Persönlichkeiten aus dem gesamten Polit-Spektrum. Steingart verweist hierbei auf das Friedensmanifest von Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und Feministin Alice Schwarzer. Unterzeichnet wurde es auch von konservativen Politikern wie den langjährigen CSU-Politiker Peter Gauweiler, der ebenfalls fordert: Die „Eskalation der Waffenlieferungen“ müsse aufhören.

Für das Friedensmanifest von Wagenknecht und Schwarzer kommt auch Unterstützung aus den Reihen der Konservativen und der Kirchen.

Politische Gegner: Widerstand unter Republikanern

Am gefährlichsten ist für Selenskyj laut Steingart aber die dritte Gruppe – die politischen Widersacher. Sie sind nämlich „insbesondere in den USA aktiv“, von wo bisher am meisten Waffen geliefert werden. Der deutsche Top-Journalist verweist auf die Republikaner und jetzigen konservativen Herausforderer Donald Trumps, den Gouverneur von Florida Ron DeSantis. Dieser habe sich „unmissverständlich gegen die militärische Hilfe der Regierung von Joe Biden“ gestellt: „Einfach zu sagen, es sei ein unbefristeter Blankoscheck, das ist nicht akzeptabel“, hatte DeSantis erklärt. Und weiter: „Ich und viele Amerikaner denken sich: Okay, er macht sich große Sorgen um die Grenzen am anderen Ende der Welt. Er hat nichts getan, um unsere eigene Grenze hier zu Hause zu sichern. “

Für Ron DeSantis geht die US-Militärhilfe für Kiew zu weit.
Trump spuckt ähnliche Töne wie DeSantis.

Donald Trump macht unterdessen mit ähnlichen Wortmeldungen von sich reden: „In einer wirtschaftlichen Lage, da die Inflation die Bürger in den USA zerlegt, sendet Biden das Steuerzahlergeld zur Finanzierung der Pensionen nach Kiew“, erklärte er kürzlich.

Für Gabor Steingart steht fest: Die gemeinsame Front gegen Putin und zur weiteren Unterstützung Kiews ist brüchiger, als sich das jetzige Polit-Personal eingesteht.