Nuklearraketen in Finnland an der russischen Grenze dürften wohl weit weniger als eine Minute nach Moskau benötigen. Dasist eine höchst kurze Vorwarnzeit. Dass das dem Kreml gar nicht gefallen wird, ist sicher. Doch es könnte bald Realität werden. Der Grund: Finnland hat im Main – gemeinsam mit Schweden – als Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine einen Antrag auf Beitritt zur NATO gestellt. Nach Angaben der in Helsinki erscheinenden Zeitung Iltalehti enthält der Gesetzentwurf zum Beitritt – so wie ihn die finnische Regierung dem Parlament vorgelegt hat – keine Ausnahmeregelung für Atomwaffen.

Russische wie westliche Politiker warnen vor einer nuklearen Eskalation.

Keine Einschränkungen für Atomwaffen und NATO-Stützpunkte

Der finnischen Außen- und Verteidigungsminister Pekka Haavisto und Antti Kaikkonen haben im Juli beide der NATO zugesagt, dass sie keine “Einschränkungen oder nationalen Vorbehalte” anstreben würden, sofern Helsinkis Antrag angenommen wird. Das berichteten verschiedene Quellen aus dem Verteidigungsbereich der Zeitung.

Außenpolitischen Insidern zufolge könnten demnach NATO-Atomwaffen durch finnisches Hoheitsgebiet verlegt oder dort stationiert werden. Darüber hinaus gibt es keine Beschränkungen für die Einrichtung von NATO-Stützpunkten im Land.

Mit Finnland und Schweden beschlossen im Mai gleich zwei bisher neutrale Staaten, der NATO beizutreten.Getty

Ministerpräsidentin: "Wollen keine Vorbedingungen stellen"

Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin bekräftigte dazu am Samstag gegenüber dem finnischen Rundfunksender Yle: “Ich halte es für sehr wichtig, dass wir keine Vorbedingungen stellen oder unseren eigenen Handlungsspielraum einschränken, wenn es um ständige Stützpunkte oder Atomwaffen geht.” Gleichwohl sei es unwahrscheinlich, dass Atomwaffen auf finnischem Boden stationiert würden.

Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin verteidigt den Antrag

Nach Angaben der Federation of American Scientists verfügen die USA bereits über rund 100 Atomwaffen in Europa, die sich in Belgien, Deutschland, Italien, den Niederlanden und der Türkei befinden. Großbritannien und Frankreich, beide NATO-Mitglieder, unterhalten ebenfalls ihre eigenen unabhängigen Atomwaffenarsenale.

Auch Polen wünscht Beteiligung an "nuklearer Teilhabe"

Anfang dieses Monats erklärte die polnische Regierung, sie habe Gespräche mit der US-Regierung über die Aufnahme von US-Atomwaffen geführt, was jedoch von Washington nicht bestätigt wurde. Der polnische Präsident Andrzej Duda erklärte, es gebe für sein Land eine “potenzielle Möglichkeit”, sich an einer “nuklearen Teilhabe” zu beteiligen.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte im Mai die Beitrittsanträge Finnlands und Schwedens und bezeichnete den Schritt als “historischen Moment” für das Bündnis.