Der erste geplante Abschiebeflug von Großbritannien nach Ruanda mit Migranten verschiedener Nationalitäten ist in letzter Minute gerichtlich gestoppt worden. Die Entscheidung kam, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg mit einer seltenen Intervention die Pläne der britischen Regierung durchkreuzt hatte. Trotz der folgenreichen Niederlage vor Gericht will die britische Innenministerin Priti Patel an dem neuen Abschiebesystem festhalten.

Die britische Innenministerin Priti Patel hält an den Abschiebeplänen fest.APA/AFP/POOL/Alberto Pezzali

“Wir lassen uns nicht davon abschrecken, das Richtige zu tun und die Grenzen unserer Nation zu schützen”, sagte sie am Dienstagabend vor der Presse. Man arbeite bereits daran, den nächsten Flug vorzubereiten, ergänzte Patel. “Ich bin enttäuscht, dass Klagen und Rechtsstreits in letzter Minute dafür gesorgt haben, dass der heutige Flug nicht abheben konnte”. Sie sei überrascht, dass sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingeschaltet habe, nachdem britische Gerichte zuvor anders entschieden hätten.

Sieben Passagiere an Bord

Auch Ruanda will trotz der EGMR-Entscheidung an dem Asylabkommen festhalten. Regierungssprecherin Yolande Makolko sagte am Mittwochmorgen:”Ruanda ist nach wie vor fest entschlossen, diese Partnerschaft zu verwirklichen.” Die Regierung sei bereit, die Migranten aufzunehmen und “ihnen Sicherheit und Chancen in unserem Land zu bieten”.

Der EGMR hatte zuvor angeordnet, dass einer der betroffenen Asylwerber zunächst nicht ausgeflogen werden dürfe. Vielmehr müsse zunächst eine Frist von drei Wochen nach dem Abschluss des Rechtsweges in Großbritannien verstreichen. Stunden zuvor hatte noch der oberste Gerichtshof als letzte britische Instanz grünes Licht für das international umstrittene Vorhaben gegeben.

Die Zahl der für den ersten Flug eingeplanten Asylwerber verringerte sich zuletzt ohnehin von ursprünglich 37 auf sieben Passagiere. Die Verfügung des Gerichts galt für einen der Verbliebenen, einen Iraker – mit diesem Entscheid des Gerichts könnten nun auch alle 6 anderen Passagiere einen Einspruch erheben.

Mehr als 28.000 Migranten kamen 2021 über die Ärmelkanal-Route nach England.APA/AFP/POOL/Alberto Pezzali

Johnson will Ärmelkanal als Migrationsroute unattraktiv machen

Der EGMR gehört zum Europarat und ist seit 1998 auch für Großbritannien zuständig. Der Ruanda-Pakt sieht vor, dass Migranten, die illegal nach Großbritannien gelangt sind, unabhängig von ihrer Nationalität oder Herkunft in das ostafrikanische Land gebracht werden und dort gegen Zahlungen der britischen Regierung die Möglichkeit für einen Asylantrag vor Ort erhalten. Auch wenn sie dort als Flüchtlinge anerkannt werden, soll es in keinem Fall eine Rückkehr nach Großbritannien geben.

Die Regierung von Premierminister Boris Johnson will mit dem Verfahren nach eigenen Angaben gegen Schlepperbanden vorgehen und unerwünschte Einreisen über den Ärmelkanal unattraktiv machen. Nach Johnsons Plänen erhält Ruanda anfangs 120 Millionen Pfund für die Zusammenarbeit. Vergangenes Jahr sind mehr als 28.000 Migranten und Flüchtlinge über dem Ärmelkanal nach Großbritannien gekommen.