Vor allem sozial ärmere Familien werden sich „freuen“: Keinen Billig-Urlaub in London und kein günstiges Sonntagsschnitzel soll es in der „klimaneutralen Welt“ von Klimaschutz-Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) geben. Allerdings leiden schon jetzt unzählige Menschen unter der Teuerungswelle – und die Ärmsten ganz besonders. In solchen Zeiten von weiteren Teuerungsmaßnahmen zu reden, ist … gewagt.

Nicht mehr um 10 Euro nach London fliegen

Einiges mache „in einer klimaneutralen Welt wenig Sinn“, meint Gewessler in ihrem jüngsten Interview mit der „Kleinen Zeitung“. Dann wird sie konkret: „Um 10 Euro nach London fliegen, um g‘schwind einmal einzukaufen, das ist keine gescheite Idee.“ Dagegen wolle sie auch etwas unternehmen. „Wir bringen eine Regelung auf den Weg, dass man Flugtickets nicht mehr unter den Kosten von Steuern und Gebühren verkaufen darf, damit wir solchen Auswüchsen einen Riegel vorschieben.“

Doch auch beim Essen soll die Klimaneutralität uns den Appetit auf lieb gewonnene Speisen verderben: „Wenn es billiger ist, ein Kilo Schnitzel zu kaufen als ein Kilo Biogemüse, dann haben wir eine verkehrte Welt. Da braucht es sicher in der Agrarpolitik noch einige Stellschrauben.“

Ärmere Schichten wird das besonders hart treffen

Dass die schöne, neue Welt der Klimaneutralität speziell in Zeiten der Rekordinflation bei den Menschen auf viel Gegenliebe stoßen wird, darf bezweifelt werden. Unklar ist auch, wie solche Verteuerungsmaßnahmen sozial gestaltet werden sollen. Schließlich treffen sie ja die Ärmsten ungleich härter als jene, die sich ohnehin Luxus-Urlaube und Hauben-Lokale leisten können. Einzig an günstigeren Bio-Produkten hätte sicher niemand etwas auszusetzen. Allerdings stand „Bio“ bisher noch nie für besonders niedrige Preise.

Über andere Klima-Pläne werde in der Koalition gerade diskutiert, berichtet die Ministerin, etwa Tempo 100: „Diese Maßnahme ist sinnvoll, weil sie weniger Verkehrstote bringt, weil sie weniger Emissionen verursacht, weil sie Geld spart, weil sie sozial gerecht ist und man kaum Zeit verliert. Aber es gibt dafür im Nationalrat keine Mehrheit. ÖVP, SPÖ, FPÖ und Neos sind dagegen.“

Kein Fracking-Gas produzieren, wohl aber importieren

Trotz so rigider Klimaschutz-Verordnungen sieht sich Gewessler nicht „als Buchhalterin“, die „über Kilometerbüchern“ sitzt. Sie wolle lieber „Infrastruktur“ schaffen, „die den Umstieg so bequem und einfach wie möglich macht.“ Hoffen wir es.

Allerdings wirken nicht alle Pläne immer realistisch. Auf die Frage, wie Gewessler einerseits Fracking bei uns verbieten könne, wenn sie andererseits Fracking-Gas – sprich: LNG – aus dem Ausland importieren wolle, entgegnet sie. „Wir brauchen Dinge, die uns jetzt aus der Krise helfen. Deshalb müssen wir kurzfristig schauen, dass wir rasch Alternativbelieferungen kriegen. Aber 2030 und danach macht es keinen Sinn mehr, ein neues Gasfeld zu entwickeln.“ Das Dumme: Verträge betreffend LNG-Lieferungen umfassen in der Regel viele Jahre, weil sich ansonsten die Investition für die ausländischen Anbieter nicht auszahlt.