Der Fleischkonsum in Europa nimmt zu – und damit auch die Belastung für die Umwelt. Vor allem in Schwellenländern mit wachsendem Wohlstand wird immer mehr Fleisch gegessen, allen voran in Deutschland und Spanien. Das geht aus dem neuen “Fleischatlas” hervor, der von der Heinrich-Böll-Stiftung (ebenjene Parteistiftung der deutschen Grünen, von der unter anderem Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ein Stipendium erhalten hat, Anm.) in Zusammenarbeit mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Umweltschutzorganisation Friends of the Earth verfasst wurde. Darin plädieren die verfassenden Organisationen für den Ausstieg aus der industriellen Fleischaufzucht und -verarbeitung. Stattdessen solle die Politik, insbesondere die EU darauf drängen, dass Viehzucht wieder in kleine Betriebe verlagert wird.

Kuhpupse als massive Umweltbelastung

Hintergrund der Forderung nach einer drastischen Reduktion des Fleischkonsums und einem nachhaltigen Umbruch in der Fleischindustrie ist die Tatsache, dass die Produktion von Fleisch eine erhebliche Belastung für die Umwelt darstellt – und zwar durch den enormen Ausstoß an Methangas durch Schlachtvieh – sprich: Durch Kuhpupse. Diese – bzw. die Fleischindustrie allgemein – machen laut Bericht nämlich 21 Prozent aller Treibhausgasemissionen weltweit aus. Zudem seien die 20 größten Unternehmen der Fleischindustrie zusammen für mehr Treibhausgasemissionen verantwortlich als Deutschland, Großbritannien oder Frankreich, heißt es in dem Bericht.

“Es geht nicht darum, gar kein Fleisch mehr zu essen“, sagt Christine Chemnitz von der Heinrich-Böll-Stiftung. “Es geht darum, weniger und besseres Fleisch zu essen.“ Tierhaltung von kleinen Bauern, das sei das nachhaltige Zukunftsmodell, so die Argumentation der Organisationen.

Besonders in Schwellenländern nimmt der Fleischkonsum stetig zuPexels / Mark Stebnicki

Methan zersetzt sich relativ schnell (innerhalb von zehn Jahren), während CO2 jahrzehntelang in der Atmosphäre bleibt. Zudem hat der jüngste große Klimabericht des IPCC festgestellt, dass die weltweiten Temperaturen selbst dann um durchschnittlich 1,5 Grad ansteigen werden, wenn alle Versprechen zur Reduktion von Treibhausgase eingehalten oder sogar übererfüllt werden – eben auch weil es so lange dauert, bis CO2 in der Atmosphäre abgebaut wird. Darum ist die Idee, den Ausstoß von Methan rasch und stark zu senken, so attraktiv – durch weniger Methan in der Atmosphäre, das sich sowieso relativ schnell zersetzt, heizt sich die Erde weniger schnell auf. Und das erreicht man eben am schnellsten durch die Reduktion der Viehwirtschaft, so zumindest der Gedanke.

Darum fordern Grüne und Umweltschützer nun ein Ende der industriellen Fleischproduktion in Europa, und zwar schnell. Beschäftigte von Mastbetrieben und Fleischfabriken sollen dafür auch Hilfen bekommen. Soweit der Plan – doch der, genauso wie die Darstellung des Berichts, stoßen auf herbe Kritik.

"Schizophrene" EU-Politik

Ein Ausstieg aus der Massentierhaltung hätte vielerlei Vorteile: So könnte er nicht nur einen großen Beitrag dazu leisten, das Klima zu schützen, sondern auch viele andere negative Konsequenzen der industriellen Fleischproduktion eindämmen, wie etwa den breiten Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung.

Eine gute Idee, doch hier stellt die Politik dem guten Gedanken ein (Schweins-)Haxl: Martin Häusling, Abgeordneter der Grünen im Europäischen Parlament, meint, dass die EU hier ein entscheidender Faktor ist – nur sei der leider “schizophren”, wie die deutsche “Welt” den Grünen Politiker zitiert. “Einerseits will die Kommission mit ihrer Strategie vom Bauernhof auf den Teller den Fleischkonsum reduzieren. Andererseits wird die gemeinsame Agrarpolitik weitergeführt wie bisher.“ Dabei müsste sich die Agrarpolitik mit ihren Milliardensubventionen ändern, damit sich überhaupt etwas ändern könne. Häusling fordert darum, dass die Agrar-Subventionen der EU für industrieartige Massentierhaltung sofort gestoppt werden sollen. Stattdessen sollte aus den Milliardentöpfen mehr Geld für klima- und umweltfreundlichere Tierhaltung ausgeben werden.

100 Milliarden Euro quasi ins Nichts verpufft

Erst im Juni dieses Jahres hatte der Europäische Rechnungshof die Tatsache kritisiert, dass die 100 Milliarden Euro, mit denen die EU in den vergangenen Jahren klimaschonende Landwirtschaft unterstützt hat, zu großen Anteilen quasi “wirkungslos verpufft” sind, so die “Welt” weiter.

Um den Ausstieg aus der industriellen Fleischproduktion zu schaffen, plädieren die Autoren des Berichts dafür, ähnliche Instrumente wie bei anderen Klimaschutzmaßnahmen – so wie etwa beim Kohleausstieg – zu bemühen: So könnte etwa ein “Übergangsfonds” zur Unterstützung der Beschäftigen in der Fleischindustrie eingerichtet werden.

Doch obwohl der Trend dann wieder in Richtung kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe zur Fleischproduktion gehen soll, finden Vertreter der Bauern einiges an der Darstellung des “Fleischatlas” auszusetzen: “Der Anteil der gesamten Landwirtschaft an den Klimagasen liegt bei etwa acht Prozent, darunter etwa vier Prozent unmittelbar aus der Tierhaltung“, sagt etwa Udo Hemmerling, der stellvertretende Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, und erläutert weiter, dass die Milchwirtschaft in Deutschland für die Produktion eines Liters Milch etwa halb so viele Treibhausgase ausstoße, wie die weltweite Milchindustrie im Durchschnitt.