In der Energiepolitik könnten die Wege Frankreichs und Deutschlands kaum konträrer sein, zurzeit. Während Berlin heuer endgültig aus der Kernenergie aussteigen möchte und die verbliebenen drei Atomkraftwerke bis Jahresende vom Netz nehmen will, plant Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Bau von bis zu 14 neuen Atomreaktoren.

Verlängerung jetziger Atomkraftwerke "über 50 Jahre hinaus"

Frankreichs Präsident spricht sogar von einer “Renaissance der Atomkraft” in seinem Land. Bis 2050 sollen sechs EPR-Reaktoren der neuen Generation gebaut werden, sagte Macron im ostfranzösischen Belfort. Der Bau von acht weiteren solle geprüft werden. Das ist noch nicht alles: Die Laufzeit bestehender Atomkraftwerke soll “über 50 Jahre hinaus” verlängert werden, solange es keine Sicherheitsbedenken gebe. Baustart der neuen Kraftwerke sei für das Jahr 2028 geplant. Der erste Reaktor könne 2035 ans Netz gehen.

Zwecks Überbrückung der langen Bauzeit für einen Reaktor – 15 Jahre – will auch Frankreich Geld in erneuerbare Energien stecken. Deswegen sollten 50 Offshore-Windparks errichtet werden. Bisher hat das küstenreiche Land noch keinen funktionierenden Windpark im Meer. Für Frankreich sind erneuerbare Energien eine Übergangslösung während des Baus neuer Atomkraftwerke.

Beim Atomstrom liegt Frankreich EU-weit auf Platz eins

Mehr als 70 Prozent des erzeugten Stroms in Frankreich wurden schon 2020 in Atomkraftwerken produziert, gegenüber nur elf Prozent in Deutschland. Frankreich liegt damit im EU-Vergleich auf Platz eins, mit deutlichem Abstand vor der Slowakei, Ungarn und Bulgarien. Im EU-weiten Durchschnitt stammen zurzeit 26 Prozent des erzeugten Stroms aus Atomenergie.

Die Europäische Kommission hatte Anfang Februar bekannt gegeben, künftig Gas und Atomenergie als nachhaltig einzustufen. Umweltschützer protestierten dagegen seither scharf. Besonders viel Widerstand kommt auch aus Österreich, das eine Klage gegen die Entscheidung ankündigte. In der deutschen “Ampel” sieht man das ähnlich: Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) bekräftigten die Position der Bundesregierung gegen die Aufnahme von Atomkraft als nachhaltig. Der Einstufung von Gas als nachhaltig hatte Deutschland aber zugestimmt.