“Ich lebe. Und das ist nach all dem, was passiert ist, gar nicht so selbstverständlich”, spielt Heinz-Christian Strache (51) auf das Ende eines anderen früheren FPÖ-Chefs an. In seiner Bilanz zum zweiten Jahrestag der Veröffentlichung des Mini-Zusammenschnitts aus dem sieben Stunden langen Ibiza-Video sagt der Ex-Vizekanzler nachdenklich: “Jetzt weiß ich zumindest, mit welch krimineller Energie versucht worden ist, mir und der FPÖ zu schaden. Und wie lange schon eine Täter-Clique alles getan hat, um einen Skandal zu schaffen, der meine politische Laufbahn beendet.”

Tatsächlich hat HC Strache viel Aktenmaterial studiert, darunter auch die jüngste Entscheidung des Oberlandesgereichts Wien gegen eine U-Haft-Entlassung eines der beiden mutmaßlichen Ibiza-Haupttäters, des Sicherheitssöldners Julian H. (41): Aus den darin abgedruckten Chats der Tatverdächtigen ergibt sich der Verdacht, dass diese Wiener Clique nicht nur hinter der Produktion und dem Vertrieb des Finca-Videos steckt, sondern auch die Spesen-Causa mit einer anonymen Strafanzeige im Sommer 2019 derart befeuert hat, dass es zum endgültigen Bruch zwischen Strache und der FPÖ kam. “Und davor hatte diese Gruppe schon versucht, mit Haarbüscheln, die angeblich mit Kokain belastet waren, und mit Bargeld-Fotos mich so zu beschädigen, dass ich aus der Politik ausscheiden hätte müssen”, berichtet Strache.

Entlastendes wurde vor zwei Jahren absichtlich weggelassen

Wer hinter dieser Gruppe steckt, weiß der Ex-FPÖ-Chef bis heute nicht. Er hat nur mehrere Vermutungen, wer die zwei Haupttatverdächtigen und ihre Helfer und Helferinnen dirigiert und möglicherweise auch bezahlt hat: “Viele Spuren führen in das Umfeld der SPÖ, aber auch in jenes der NEOS. Die Soko Ibiza hat zahlreiche Zeugen einvernommen, darunter sind auch Personen, denen das Video zum Kauf angeboten worden ist. Und in einem Chat sagt der in U-Haft sitzende Haupttatverdächtige Julian H. sogar, dass ,die roten Idioten’ das Geld nicht zusammgebracht hätten.”

Eines ist für den Ex-Vizekanzler jedenfalls klar: “Es war ein plumper Versuch, eine demokratisch gewählte Regierung zu stürzen. Mein Mangel an Vorsicht war sicher ein Riesenfehler, mein Verhalten auf Ibiza nicht korrekt. Aber: Jetzt kennen wir das ganze Video – und alle, die sich sämtliche Szenen angesehen haben, wissen: Es gab nie einen ,Ibiza-Skandal’.” Was Strache damit meint: Bei den von deutschen Medien präsentierten, nur wenige Minuten langen Zusammenschnitte aus dem Finca-Video wurde nichts gezeigt, das ihn entlastet hätte – obwohl viele Passagen dazu vorhanden gewesen wären. Etwa bei Minute 1:52.06: “No way, mach ich nicht und bei mir nur gerade Geschichten, das musst du ihr vermitteln.” Oder bei Minute 1:44.28: “Und wenn ein Geschäftsinteresse zusammenpasst, ok. Aber korrupt bin ich nicht.”

Dankt oft seiner Philippa: Die Straches sind nach wie vor ein Paar.

Strache: "Diese Gruppe in der FPÖ nutzte die Gelegenheit für einen Putsch."

Unverblümt spricht Heinz-Christian Strache auch über seine Enttäuschung über einige seiner Parteifreunde: “Ich war einfach sehr lange zu naiv, dass ich die Fehler mancher Menschen in meiner nächsten Umgebung erkannt hätte. Und diese Parteifreunde kritisierten dann nicht die Täter, die ihren Parteichef diskreditiert hatten, sondern mich.” Und der Ex-Vizekanzler erinnert sich an die Situation im Mai 2019 sehr gut: “Diese Gruppe in der Partei, der jede menschliche Qualität fehlte, nutzte die Gelegenheit und führte einen Putsch gegen ihren Obmann durch.” HC Strache sollte allen Parteiveranstaltungen fernbleiben, sich verstecken: “Ich wurde überrumpelt, der Todesstoß folgte.”

Jetzt will der Ex-FPÖ-Chef nochmals aufstehen: “Meine Frau, meine Philippa, gibt mir sehr viel Kraft. Ohne ihre Hilfe hätte ich die zwei Jahre nicht so durchstehen können.” Schon in Kürze will Heinz-Christian Strache mit seinem Team auf eine Bundesländer-Tour (“Freiheit für Österreich”) gehen und wird sein Buch über den Kriminalfall Ibiza, die Folgen und über seine politischen Pläne auf den Markt bringen. Außerdem hat sich Strache auf einen für ihn ziemlich wichtigen Termin vorzubereiten: Die Gerichtsverhandlung in der Causa Privatspitäler-Finanzierung, die noch im Juni stattfinden könnte. Er rechnet mit einem Freispruch.