Wiens Spitalsärzte blicken pessimistisch in die Zukunft. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Markt- und Meinungsforschers, Peter Hajek, hervor. Zwei Drittel der befragten Ärzte denke demnach regelmäßig an Kündigung. „Wenn die Wiener Stadtregierung jetzt nicht handelt, stehen unsere Spitäler bald leer“, warnt der Vizepräsident der Ärztekammer für Wien, Stefan Ferenci.

Laut Meinungsforscher Hajek erwartet so gut wie niemand eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder der Arbeitsbelastung. Im Gegenteil: Etwa die Hälfte der Befragten erwarte sogar eine Verschlechterung im nächsten Jahr. „Dass sogar zwei Drittel der Befragten regelmäßig an Kündigung denken, sei „alarmierend“, so Hajek.

Öffentliches Gesundheitssystem wird zunehmend unattraktiver

Jeder Arbeitgeber, dem von seinen Mitarbeitern ein so verheerendes Zeugnis ausgestellt werde, müsse sich überlegen, was er tun kann, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu heben beziehungsweise die Beschäftigten zu halten, sagt Ferenci. Das rate ich auch dem WiGeV und den anderen Wiener Spitalsbetreibern dringend an. „Wegducken und den Kopf in den Sand stecken“, werde das Problem jedenfalls nicht lösen, so Ferenci.

Wenn man sich ansehe, wohin Spitalsärzte wechseln wollen, werde zudem deutlich, was die Ärztekammer seit Jahren kritisiert: „Das öffentliche Gesundheitssystem wird für die Beschäftigten zunehmend unattraktiver.“ Die Ärzte hätten es satt, Patienten wie am Fließband abfertigen zu müssen. Und auch eine sozialdemokratische Stadtregierung sollte sich nicht damit abfinden, dass die hohen Standards im öffentlichen Gesundheitswesen schrittweise abgebaut werden“, ist Ferenci überzeugt.

Viele Ärzte sind wegen der Überstunden völlig erschöpft

FPÖ: Gesundheitspolitik Wiens ist „unfähig“ und deshalb „lebensgefährdend“

Erst in der Vorwoche hielt der Chef der FPÖ-Wien, Dominik Nepp, eine Pressekonferenz angesichts der heillosen Zustände im Wiener Gesundheitswesen ab. Laut Nepp liegt hier vieles im Argen: Spitäler stünden vor dem Kollaps, es herrsche ein akuter Ärzte- und Pflegepersonalmangel, Krebspatienten würden viel zu spät operiert, Ärzte litten an enormer Arbeitsüberlastung.

Und was tue Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) dagegen? Nichts. Stattdessen wiegle er ab und lege eine Arroganz an den Tag, die „Sonderklasse“ sei. Diese Arroganz allerdings überdecke seine „Unsicherheit und Unfähigkeit“. Hacker betreibe schlichtweg eine „lebensgefährdende Gesundheitspolitik“. Darum sei er nicht mehr tragbar und müsse zurücktreten.

In Wien sind wegen des akuten Personalmangels zurzeit 850 Krankenhausbetten gesperrt

Krankenpflegerin: Personal fehlt im Gesundheitswesen an allen Ecken und Enden

Wie der Wiener Gesundheitsverbund gegenüber eXXPress mitteilte, habe es in den öffentlichen Spitälern Wiens zum Stichtag 9.1.2023 nicht weniger als 849 gesperrte Betten gegeben (insgesamt 5300 Betten). Der Grund: Personalmangel. Diesen stünden 895 freie Betten gegenüber.

Die Gesundheits- und Krankenpflegerin Alexandra Prinz geht in der „Presse“ noch weiter: „Medial wird vorrangig der Personalmangel in Spitälern thematisiert, doch auch in allen anderen Pflegebereichen fehlt Personal. Betroffene Patientinnen und Patienten berichten, dass man in einem Alter von über 80 im Krankenhaus keine adäquate Versorgung erhalte, vor allem wenn Angehörige nicht dahinter seien.“ Und weiter: „In Pflegeheimen werden derzeit Aufnahmesperren verhängt, weil es zwar Plätze (Betten) gäbe, aber kein Personal. Gleiches erfährt man von den mobilen Diensten.“

Ihr niederschmetterndes Fazit: „Gut ausgebildetes Personal verlässt den Beruf ganz oder emigriert in andere Länder mit besserer Bezahlung (das gilt übrigens für ganz Europa). Die derzeitige Offensive, mit der die ÖVP Niederösterreich den Import von 150 Pflegepersonen aus Vietnam favorisiert, die hier erst ausgebildet werden sollen, zeigt, wie verzweifelt man Pflegepersonal aus Billigländern anwirbt, um längst notwendige Reformen im Pflegewesen weiter auf die lange Bank zu schieben.“

Gesundheitsökonomin: Personalmangel im Vergleich mit Deutschland und Schweiz frappant

Die Gesundheitsökonomin Judit Simon verdeutlicht im „Standard“ noch einmal den akuten Personalmangel im gesamten österreichischen Gesundheitswesen: Der Anteil der Arbeitskräfte, die in Österreich im Gesundheits- und Sozialwesen tätig sind, sei in Österreich viel niedriger als in Deutschland und der Schweiz.

Denn „im Gegensatz zu Deutschland und der Schweiz, wo dieser Anteil über 13 Prozent beträgt, liegt er in Österreich bei knapp über zehn Prozent und damit nur wenig über dem OECD-Durchschnitt. Dies bedeutet beispielsweise, dass es in der Schweiz sieben und in Deutschland vier Pfleger pro 1000 Einwohner mehr gebe als in Österreich.