Für mindestens 703.390 genesene Österreicher ist es eine erfreuliche Nachricht: “Die nachgewiesene Dauer des Schutzes nach durchgemachter SARS-CoV-2 Infektion beträgt mindestens ein Jahr.” Mit hoher Wahrscheinlichkeit hält der Schutz sogar länger an, wie die deutsche Gesellschaft für Virologie feststellt, nur fehlt dazu bisher der Beobachtungszeitraum: “Aus immunologischer Sicht ist von einer deutlich längeren Schutzdauer auszugehen, die auf Grund des begrenzten Beobachtungszeitraum aber noch nicht durch entsprechende Studien belegt ist.”

Annahme einer kurzlebigen Immunität "überholt"

Die Gesellschaft für Virologie ist zu diesem Ergebnis in einer “Aktualisierten Stellungnahme zur Immunität von Genesenen” gelangt. Sämtliche renommierte Virologen aus dem deutschen Sprachraum gehören der Gesellschaft an. Die Stellungnahme stützt sich auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, deren Ergebnissen die Politik aber bis jetzt ignoriert. Dabei sind die Resultate hochgradig relevant, auch mit Blick auf eine mögliche Herdenimmunität.

Zu Beginn der Pandemie war man noch von einer kurzlebig schützenden Immunität ausgegangen. “Diese Einschätzung ist jedoch mittlerweile überholt”, wie die Gesellschaft unterstreicht. Eine Infektion führe zur Ausbildung immunologischer Gedächtniszellen, die “der eigentliche Schutzmechanismus des Immunsystems gegen eine erneute Erkrankung sind”.

Genesene auch vor Delta-Variante geschützt

“Daten aus mehreren Ländern belegen, dass Menschen, die eine SARS-CoV-2 Infektion durchgemacht haben, gegen eine erneute Infektion oder Erkrankung sehr gut geschützt sind, und dass sich dieser Schutz auch auf Virusvarianten, inklusive der Delta-Variante, erstreckt.” Allein in den ersten sechs Monaten ist der Schutz vor einer weiteren Infektion bei Genesenen mindestens so hoch – wenn nicht sogar höher – als bei vollständig Geimpften. Neueste Studien zeigen nun, “dass eine durchgemachte SARS-CoV-2 Infektion auch nach einem Jahr noch sehr gut vor Reinfektionen und schweren COVID-19 Krankheitsverläufen schützt.”

Bei erneutem Kontakt mit dem Erreger würden sehr schnell Antikörper hergestellt werden, die noch wirksamer sind als die bisherigen. “So sind sie insbesondere in der Lage, Varianten von SARS-CoV-2 effizient zu neutralisieren.” Selbst wenn nicht genügend Antikörper vorhanden sind, um eine neue Infektion komplett zu verhindern, “kann die schnelle Gedächtnisantwort unseres Immunsystems zumindest dafür sorgen, dass schwere Krankheitsverläufe verhindert werden.”

Österreichische Hausärzte fordern Ermittlung von Herdenimmunität

Die Virologen fordern: “Genesene sollten bei Regelungen zur Pandemie-Bekämpfung (z.B. Testpflicht) den vollständig Geimpften für mindestens ein Jahr gleichgestellt werden.” Auch in Österreich fordern immer mehr Ärzte von der Politik, die von einer Infektion Genesenen besser zu berücksichtigen bzw. ihres Anzahl überhaupt erst zu ermitteln.

Acht Prozent aller Österreicher waren nachweislich mit dem Virus infiziert und sind davon genesen. Über die Dunkelziffer gibt es unterschiedliche Schätzungen. Im März 2021 waren den meisten Berechnungsmodellen zufolge zwischen 5 und 20 Prozent der Österreicher bereits infiziert – heute werden es wohl deutlich mehr sein. Um hier mehr Genauigkeit zu erlangen, forderte der Verband der Hausärzte erst vor wenigen Tagen gratis Antikörpertests für Nicht-Geimpfte und Nicht-Genesene. Bisher sei nämlich noch völlig unbekannt, wie viele Personen in diesen Gruppen bereits ausreichend Antikörper durch zumeist unbemerkte Ansteckungen gegen das Coronavirus ausgebildet hätten. Eine einmalige österreichweite Aktion soll Klarheit schaffen: “Die Dunkelziffer der Personen mit signifikanten Antikörperspiegeln, die als Nicht-Geimpfte und Nicht-Genesene klassifiziert werden, ist von großem Interesse, da diese ganz wesentlich zur möglichen Ausbildung einer Herdenimmunität beitragen.” Eine solche Aktion würde viel weniger kosten als die täglich anfallenden Antigentests.