Seltene überparteiliche Einigkeit herrschte am Donnerstag im Nationalrat: Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit wurde die Neuaufstellung des Verfassungsschutzes beschlossen. Es ist die größte Verfassungsschutzreform der Zweiten Republik. Aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wird nun die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, kurz DSN. Die Reform soll das Vertrauen der Bürger und der internationalen Partnerdienste in den Verfassungsschutz wiederherstellen. Die Parteien zeigten sich zuversichtlich, dass das nun auch gelingen werden. In den vergangenen Jahren war die Reputation des Verfassungsschutzes schrittweise gesunken, bis sie nach einer Hausdurchsuchung an einem Tiefpunkt angelangt war.

Die Trennung von Staatsschutz und Nachrichtendienst ist in anderen Ländern bereits üblich

Eine starke Schutzmauer der Republik, werde der neue Verfassungsschutz sein, unterstrich Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Ein entscheidender Kernpunkt der Reform ist die Trennung von Staatsschutz und Nachrichtendienst wie in anderen Ländern üblich. Damit wird ein Grundübel bisher beseitigt. Im Gegensatz zu anderen Nachrichtendiensten war der österreichische Verfassungsschutz bisher eine polizeiliche Behörde und unterstand somit dem Sicherheitspolizeigesetz. Die Folge: Wenn das BVT illegale Tätigkeiten aufdeckt, ist es als polizeiliche Behörde zu sofortigem Eingreifen verpflichtet. Ein Nachrichtendienst hingegen beobachtet, solange er es für nötig hält. Er hat keine Exekutivgewalt, die hat nur eine polizeiliche Behörde, die erst eingreift, wenn der Nachrichtendienst sie informiert.

Das ist in anderen Ländern schon längst gang und gäbe. In Österreich wird es erst mit diesem Gesetzesentwurf Realität, der eine strukturelle Trennung von Nachrichtendienst und Staatsschutz innerhalb eines reformierten BVT vorsieht. Den bisherigen Landesämtern für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung soll ausschließlich die Aufgabe des Staatsschutzes zukommen.

Mehr Prävention, bessere Beobachtung, mehr parlamentarische Kontrolle

Weitere Reformen sind unter anderem ein Ausbau der Präventionsaufgaben durch die Einführung von Fallkonferenzen für den Staatsschutz, die Maßnahmen zur Vorbeugung verfassungsgefährdender Angriffe möglichst effizient aufeinander abstimmen. Hinzu kommt die Beobachtung von Gefährdern im Rahmen einer Meldeverpflichtung. Auch eine stärkere parlamentarische Kontrolle ist vorgesehen, was die Oppositionsparteien ausdrücklich begrüßen. Dafür waren Änderungen der Geschäftsordnung des Nationalrats notwendig. Ebenso wird können Verfassungsschutzbehörden künftig Einrichtungen der Deradikalisierungsarbeit bei der Risikoeinschätzung radikalisierter Personen unterstützen.

Das alte BVT habe als alte Schutzmauer der Republik zuletzt Risse sowie poröse und brüchige Stellen gezeigt, unterstrich Innenminister Nehammer. Eine neue starke Mauer sei notwendig, da der Verfassungsschutz das Grundfundament der Republik sei und Freiheit, Sicherheit und Demokratie ermögliche. Erfreut zeigte sich der Innenminister über die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit und Zustimmung. Von Anfang an sei klar gewesen, dass für die Wiederherstellung des Vertrauens eine breite Basis im Parlament notwendig sei.

Alle Parteien sind voll des Lobes, fast alle stimmen zu – die NEOS nicht ganz

Die Abgeordneten aller Fraktionen begrüßten den parlamentarischen konstruktiven Diskussionsprozess, es sei ein positives Beispiel gelebten Parlamentarismus. SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner  zeigte sich ebenfalls optimistisch, dass die Neuaufstellung das Vertrauen in den Verfassungsschutz wieder herstellen werde. Hannes Amesbauer (FPÖ) hob die Wichtigkeit der vorgesehenen Evaluierung der Reform in fünf Jahren hervor. Im Vergleich zum ersten Gesetzesentwurf seien wesentliche Verbesserungen erfolgt. Zu begrüßen seien auch der Versuch der Entpolitisierung der Führungspositionen, die Verschärfung der Nebenbeschäftigungsregelungen sowie die stark verbesserte interne Kontrolle durch Qualitätssicherungssysteme.

Georg Bürstmayr (Grüne) unterstrich: Ein Konzept des 20. Jahrhunderts wurde durch eines des 21. Jahrhunderts ersetzt. Besonders begrüßte der Abgeordnete der Grünen, dass die Neuaufstellung ohne tiefgreifende Eingriffe in die Grundrechte der Menschen funktioniert habe. Nikolaus Scherak (NEOS) betonte, dass die Reform dringend notwendig gewesen sei. Die NEOS würden zwar weiten Teilen des Vorhabens inhaltlich zustimmen. Im Bereich der Kontrollkommission werde aber Verbesserungsbedarf gesehen. Deshalb stimmte seine Fraktion nur dem Beschluss nach neuen Kompetenzen der Geheimdienstausschüsse des Parlaments zu.