Drei Tage nach dem verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Zahl der Todesopfer auf mehr als 16.000 gestiegen. In der Türkei gibt es inzwischen 12.873 bestätigte Todesopfer und 62.937 Verletzte, teilte die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in der Nacht auf Donnerstag mit. In Syrien sind bei dem Beben 3162 Menschen ums Leben gekommen.

Rettungskräfte versuchten in der Nacht auf Donnerstag bei eisigen Temperaturen verzweifelt, noch mögliche Überlebende zu finden. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Opfer weiter steigt. Anadolu Ajansi zufolge sind allein in der Türkei mehr als 6000 Gebäude eingestürzt. Mehr als 13 Millionen Menschen seien von den Auswirkungen der massiven Erdstöße betroffen.

"Retter weigern sich, aufzugeben"

Dem Sender TRT World zufolge konnten in der Türkei bisher 8000 Menschen aus den Trümmern gerettet werden. Eine Reporterin des Fernsehkanals berichtete über den verzweifelten Kampf gegen die Zeit: “Die Retter weigern sich, aufzugeben.” Aber die Momente der Freude über eine weitere Rettung würden immer seltener.

Trotzdem gibt es noch immer Erfolgsmeldungen: So wurde ein 24-jähriger Mann 64 Stunden nach dem Beben in der türkischen Provinz Kahramanmaras gerettet. In der Provinz Hatay konnte nach Angaben vom Mittwochabend eine 75-jährige Frau 60 Stunden nach der Naturkatastrophe aus den Trümmern befreit werden. In der Südprovinz Adiyaman wurde ein sieben Monate altes Baby lebend gefunden.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Mittwoch “Defizite” im Krisenmanagement nach der Katastrophe eingeräumt. Bei einem Besuch von zwei besonders betroffenen Regionen sagte er allerdings auch, es sei nicht möglich, “auf so ein Erdbeben vorbereitet zu sein”.

Auch ein 20 Tage altes Baby konnte trotz klirrender Kälte Mittwochnacht aus den Trümmern gerettet werden.Reuters

Im türkischen Katastrophengebiet Atay konnte ein 20 Tage altes Baby aus den Trümmern gezogen werden. Ob seine Familie oder Angehörigen überlebt haben, ist unbekannt, Auch in Syrien gab es eine Meldung, die an ein Wunder grenzt. Dort wurde in den Trümmern ein lebendes Neugeborenes entdeckt. Das Baby musste von der toten Mutter erst abgenabelt werden, ist jetzt im Krankenhaus und wohlauf. Pflegerinnen im Spital gaben dem Mädchen den Namen Aja.

"Lage ist schlimmer, als erwartet"

Seit Dienstag sind auch 81 Soldaten und vier Soldatinnen der Katastrophenhilfseinheit Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU) im Einsatz in der türkischen Provinz Hatay. Die dicht besiedelte Region ist eines der am stärksten betroffenen Gebiete nach dem verheerenden Erdbeben. “Es gibt nur mehr wenige Gebäude, die nicht zerstört sind. Die Leute schlafen in ihren Autos unter Zeltplanen”, sagte Bernhard Lindenberg, stellvertretender Kommandant der Spezialeinheit, im Gespräch mit der APA. “Die Lage ist schlimmer als erwartet.” Das Bundesheer hofft, im Laufe des Tages noch drei weitere Personen aus den Trümmern zu bergen, hieß es. Aufgrund des Zustandes vieler Gebäude, gestalteten sich die Bergungen jedoch äußerst langwierig. Das Bundesheer wurde mit offenen Armen empfangen, berichtete Lindenberg. “Das betroffene Gebiet ist so groß wie Niederösterreich und das Burgenland zusammen.”

Unterstützt werden die Soldaten von vier Bergrettern des Verbandes Niederösterreich-Wien sowie sechs Rettungshunden. Am Donnerstag soll eine Fracht-Maschine weitere Ausrüstung für das AFDRU-Kontigent bringen.

Van der Bellen: "Menschen brauchen Hilfe"

Bundepräsident Van der Bellen äußerte sich am Abend zum österreichischen Einsatz: “Die Einsatzkräfte, die für das österreichische Bundesheer in der Türkei vor Ort sind, haben mir soeben einen direkten Bericht über die Situation in den Katastrophengebieten gegeben. Die Lage ist sehr ernst, die Soldaten leisten Beeindruckendes”, schrieb Van der Bellen am Abend in dem Kurznachrichtendienst Twitter. Neben den laufenden Bergungsaktionen gehe es darum, hunderttausende Menschen ohne Obdach mit Zelten, Decken und Lebensmitteln rasch zu versorgen. “Die Menschen in der Türkei und Syrien brauchen internationale Hilfe, es geht buchstäblich um jede Minute”. Er forderte die Österreicher auf, zu spenden, um den “Nachbarn zu helfen”.