Die längste Zeit war die Mülldeponie am Rande von Kherson ein gewöhnlicher Ort, an dem die Bewohner ihren Müll entsorgten. Doch im Sommer änderte sich das. Unter der russischen Besatzung wurde der Ort zur verbotenen Zone erklärt, die von neugierigen Blick streng abgeschirmt wurde. Die ukrainischen Truppen hatten damals gerade von den USA die Himars-Langstreckenraketen erhalten und den militärischen Druck auf Kherson erhöht.

Russische Uniformen, Helme und Flaggen bleiben zurück

Seit dem Abzug der Russen findet man dort zwischen den Müllbergen Hinweise auf das, was dort, verborgen vor den Einwohnern, geschehen sein dürfte. Russische Uniformen, Helme und Flaggen ragen aus dem fauligen Schlamm, der von Hunderten von Möwen und Dutzenden von streunenden Hunden umschwirrt wird.

Am 11. November 2022 erreichten ukrainische Truppen Kherson nach dem Abzug der russischen Besatzer.

Mehrere Anwohner und Arbeiter enthüllen nun gegenüber „The Guardian“ den grausamen Hintergrund: Hier haben die russischen Besatzungstruppen die Leichen ihrer gefallenen Brüder zuerst entsorgt, und dann verbrannt: „Die Anwohner berichteten, sie hätten gesehen, wie russische offene Lastwagen mit schwarzen Säcken ankamen, die dann in Brand gesetzt wurden und die Luft mit einer großen Rauchwolke und einem schrecklichen Gestank nach brennendem Fleisch erfüllten. Sie glauben, dass die Russen die Leichen ihrer Soldaten entsorgten, die während der schweren Kämpfe in jenen Sommertagen gefallen waren.“

„Es roch nach verbranntem Haar“

„Mir wurde übel, als ich den Rauch roch“, berichtet Olesia Kokorina, 60, eine Anrainerin. „Und es war auch beängstigend, weil es nach verbranntem Haar roch, und es roch auch wie beim Zahnarzt, wenn sie deinen Zahn bohren, bevor sie eine Füllung einsetzen. Und der Rauch war so dicht, dass man das Gebäude nebenan nicht sehen konnte.“

Dutzende weiter Einwohner von Kherson sollen die Berichte bestätigen, die ukrainischen Behörden haben sich aber bisher dazu nicht geäußert. Der ukrainische Sicherheitsdienst geht allerdings davon aus, dass die Leichen tausender toter russischer Soldaten inoffiziell entsorgt werden, da der Kreml sie als „vermisst“ registriert, um seine Verluste im Krieg in der Ukraine zu vertuschen.

Der russische Verteidigungsminister Schoigu berichtet von 6000 gefallenen Soldaten.

Russischer Soldat spricht in Telefonat über Müllhalde

Gemäß dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu sind fast 6000 Soldaten in der Ukraine ums Leben gekommen, das Pentagon schätzte im Spätsommer, dass etwa 80.000 russische Soldaten getötet oder verletzt worden sind.

Einige glauben, dass die Verbrennung der Leichen der eigenen Soldaten der einfachste Weg war, die Leichen loszuwerden, da die Brücken über den Fluss Dnipro, als die Russen an seinem westlichen Ufer praktisch abgeschnitten waren, zu brüchig waren, um Lastwagen zu tragen. In einem abgehörten Telefongespräch im Mai berichtete ein russischer Soldaten, seine Kameraden seien auf einer „mannshohen Müllhalde“ außerhalb des besetzten Donezk begraben worden. „Es gibt so viel Cargo 200 [militärischer Code für tote Soldaten], dass die Berge von Leichen zwei Meter hoch sind“, sagte er in dem Anruf. „Es ist keine Leichenhalle, es ist eine Müllhalde. Es ist riesig.“