Seit Ende Juli schweigt die grüne Energieministerin Leonore Gewessler zur Gasversorgung in Österreich. Von ihr ist schlicht nichts mehr zu hören. Dabei ist der Gaszufluss zuletzt wieder gesunken, von 436 Gigawattstunden (GWh) am 2. August, auf nur mehr 279 GWh am 4. August.

Die Österreicher haben ein Recht, von Gewessler endlich konkrete und überprüfbare Zahlen zu erhalten. Davon kann bald sechs Monate nach Beginn der Ukraine-Invasion immer noch keine Rede sein. Bevor sich die Grüne in ihr Schweigen verabschiedet hat, verabreichte sie der Öffentlichkeit ein paar Beruhigungspillen, die freilich mehr Fragen aufwerfen als beantworten. Bei der ZiB2 konnte sie damit durchgekommen, auf Social Media tat sie sich schon schwerer.

Gewessler in ihrem letzten ZiB2-Interview

Experte hält Ziele für schwer umsetzbar

Zum letzten Mal streute Gewessler den am 28. Juli Sand in die Augen: „Bis 1. November wird die gesamte strategische Gasreserve in unseren Speichern lagern“, erklärte sie auf Twitter. Das ist freilich alles andere als gesichert. „Die Hoffnung dafür ist da“, kommentierte ein Twitter-User, „aber es ist unwahrscheinlich, dass wir bis dahin genügend Gas zur Speicherung geliefert bekommen.“ Ein anderer hackt nach: „Richtig wäre es, sich von liebgewordenen Floskeln zu trennen und Klartext zu sprechen. Direkt und unbehübscht.“

Tatsächlich bezweifelt auch der Wirtschaftswissenschaftler Lukas Sustala, dass sich die Regierungsziele so einfach umsetzen ließen, wie uns die Energieministerin weismachen will. Dass Österreich das Speicherziel von 80 Prozent bis zum 1. Oktober 2022 erreichen kann, sei „sehr fraglich“, erklärte Sustala wenige Tage vor Gewesslers Tweet. Dafür müsse das aktuelle Speichertempo nämlich doppelt so hoch sein.

Lukas Sustala: Tempo für Speicherziele zu gering

Wie kann Österreichs Abhängigkeit von russischem Gas plötzlich so einfach sinken?

Abenteuerlich ist auch Gewesslers nächste Aussage in ihrem zweiteiligen Twitter-Thread: „Wir haben die Abhängigkeit von russischem Erdgas auf unter 50 Prozent gesenkt.“ Einige Medien übernahmen diesen Behauptung unhinterfragt. Irritierte Twitterer forderten umgehend „Beweise“. Einer kommentiert: „Sie haben die Abhängigkeit nicht gesenkt. Wir brauchen weiterhin Gas, Russland liefert nur weniger! Sie vertauschen hier Tatsachen.“ Ein anderer meint: „Über ungelegte Eier zu sprechen ist in Zeiten wie diesen, gelinde gesagt, verantwortungslos.“

Dass Österreichs Abhängigkeit von Putins Gas mit einem Schlag auf unter 50 Prozent gesunken ist, darf bezweifelt werden.

Tatsächlich: So kann das nicht stimmen. Gemäß den Berechnungen Sustalas ist Österreich eines der Länder mit der höchsten Abhängigkeit von russischem Gas. Folglich wird das Land auch am meisten Gas einsparen müssen. Anders als Gewessler suggeriert, ist diese Abhängigkeit in den ersten Kriegsmonaten nicht gesunken. Im Gegenteil: Während Deutschland seine Abhängigkeit von russischem Gas von 55 Prozent auf 29 Prozent reduzieren konnte, verlief der Trend in Österreich in den ersten Monaten genau andersherum. Im April 2022 hat das Land mehr als 87 Prozent der importierten Gasmenge aus Russland bezogen, vor Ausbruch des Krieges waren es noch 80 Prozent gewesen.

Gewessler verwechselt erneut eine Zielsetzung mit dem Erreichen dieses Ziels. Nein, es genügt nicht, sich schöne Ziele zu setzen, und dann so zu tun, als hätte man sie schon erreicht.

Auf einige Antworten warten wir seit Monaten – vergeblich

Nach wie vor ungeklärt ist, auf wie viel Gas die Republik in den Speichern nun tatsächlich zugreifen kann. Erst wurde schlicht unter den Teppich gekehrt, dass es nicht das gesamte Speichervolumen ist. Seit bekannt ist, dass das Gas in Österreichs Speichern nur zu einem Teil der Republik zur Verfügung steht, verweigert die grüne Energie-Ministerin jede konkrete Antwort, wie hoch der Anteil nun ist.

Ebenso unklar ist, weshalb die Grüne den Umstieg von Gas auf Öl empfiehlt, obwohl auch bei Öl in Österreich derzeit ein akuter Mangel herrscht.

Wirklich konkret wird Gewessler seit Monaten nur bei den Energie-Spartipps, etwa „die Heizung ein, zwei Grad runterdrehen“ und beim Kochen „den Deckel auf den Topf geben“. Das sind die konkreten Schritte, die Gewessler benennen kann.