Nach monatelangen Planungen hat Österreich seit 1. Dezember 2021 einen Nachrichtendienst, kurz DSN: Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst – zuvor hieß der Verfassungschutz BVT. Versäumnisse in der Vergangenheit und das Terrorattentat von Wien gaben den finalen Anstoß zur Neuaufsetzung. Doch zwei Wochen nach Beginn der Tätigkeit der DSN gelangen Informationen zum eXXpress, die beunruhigend sind. Sie nähren Zweifel, dass die Behörde zurzeit in der Lage ist, Österreich vor neuen Angreifern zu schützen.

Einen Tag vor dem Start erfahren Mitarbeiter von ihrem neuen Arbeitsplatz: zu Hause

Insider-Berichten zufolge verfügen die beiden Außenstellen der DSN in zwei Bundesländern noch über keine Büroräumlichkeiten. Den zugeteilten Beamten wurde bis zwei Tage vor Dienstbeginn nicht einmal mitgeteilt, wo sich ihre neuer Arbeitsplatz befinden wird.

Einen Tag vor dem Start mussten die Beamten schließlich nach Wien kommen. Dort wurde ihnen gesagt: Der neue Arbeitsplatz ist jetzt einmal ihr Zuhause. Ihre Aufgabe: Internetrecherche in den Medien an den privaten Laptops – offensichtlich auch über eigene IP-Adresse und eigenen Server. Ihre operativen Tätigkeiten sollten sich auf die Beobachtung von Extremisten unter Anti-Corona-Aktivisten beschränken. Soweit die Insider-Berichte.

Ein alarmierender Geheimdienst-Bericht hat 2019 schwere Missstände aufgedeckt

Das überrascht, vor allem angesichts der massiven Kritik, der Österreichs Staatsschutz in den vergangenen Jahren ausgesetzt war. Ein brisanter Report internationaler Geheimdienst-Spezialisten hatte grobe Missständen beim ehemaligen BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) aufgelistet – der eXXpress berichtete. Einige der Kritikpunkte: Die österreichische Anlage verfügte über keine Zulassung für geheime oder streng geheime Informationen. Zugangsberechtigte im BVT durften Mobiltelefone in das Gebäude mitbringen. Das BVT-Netzwerk war sogar an das Internet angeschlossen. Mitarbeiter durften darauf ohne Zweifaktor-Authentifizierung von außen zugreifen.

Dass die neuen DSN-Mitarbeiter nun von daheim arbeiten, auf ihren privaten Notebooks, um im Internet Medienberichte zu durchforsten, kann vor diesem Hintergrund – höflich formuliert – nicht wirklich als Verbesserung bezeichnet werden. . .

Islamisten jubeln: Behörden sind ganz von aufgeheizter Anti-Corona-Stimmung abgelenkt

Nicht zu vergessen: Die Bedrohung durch islamistische Terroristen besteht wie eh und je. Nach wie vor gelangen auch hunderte illegale Migranten Woche für Woche über die burgenländische Grenze nach Österreich. Man fragt sich, wie die DSN mit so bescheiden ausgestatteten Außenstellen potenzielle Gefährder überhaupt aufspüren will. Islamistischen Extremisten ist ja nicht entgangen: Zurzeit ziehen in der aufgeheizten Corona-Situation radikale Gruppierungen rund um Corona beinahe die gesamte Aufmerksamkeit der heimischen Behörden auf sich.

Wie genau die islamistische Szene das alles verfolgt, verraten etwa Debatten in den sozialen Netzen. Manche wittern gerade jetzt gut Chancen für subversive Tätigkeiten. Mit Häme verfolgen Islamisten, wenn heimische Verfassungsschützer vor Anti-Corona-Extremisten als einer der größten Gefahren für die nationale Sicherheit warnen.

Innenministerium: "Ausreichend dienstliche Räumlichkeiten für die DSN"

Der eXXpress hat das Innenministerium mit dem Bericht konfrontiert. Ressortsprecher Harald Sörös hielt gegenüber dem eXXpress fest: “Im Vorfeld der Umsetzung der DSN-Reform waren umfangreiche Planungen notwendig.” Auf die Außenstellen ging das Innenministerium nicht explizit ein, erklärte aber: Es stünden “ausreichend dienstliche Räumlichkeiten für die DSN zur Verfügung”. Was die Arbeit im Home Office betrifft, so verweist das Innenministerium auf die “Telearbeitsregelung des öffentlichen Dienstes”. Diese finde auch in der DSN Anwendung. “Deshalb hat es auch im nicht operativ tätigen Arbeitsbereich der DSN Telearbeit gegeben.”

Zum Aufspüren von Personen, die über die burgenländische Grenze nach Österreich gelangen, hält sich das Innenministerium bedeckt: “Zu den konkreten Ermittlungsmaßnahmen der Verfassungsschutzbehörden kann aus ermittlungstaktischen Gründen leider keine nähere Auskunft erteilt werden.”

Bleibt zu hoffen, dass die wichtige Neu-Aufstellung des heimischen Verfassungsschutzes und die ebenso richtige Trennung von Staatsschutz und Nachrichtendienst nun tatsächlich erfolgreich umgesetzt werden. Der eXXpress bleibt dran.

Der neue DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner. Hinter ihm die Meidlinger Kaserne, wo die DSN mit Bundeskriminalamt und Cyberzentrum ihren Sitz hat.