Dr. Johann Reisinger ist Leiter der internistischen Intensivstation der Barmherzigen Schwestern in Linz. Von allen Covid-Patienten auf Intensivstationen seien etwa 80 Prozent älter als 50 Jahre, und die meisten haben die bekannten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Herzschwäche oder Zuckerkrankheit, berichtet der Mediziner. Von den Patienten jünger als 50 Jahre, die mit Covid auf einer Intensivstation landen, seien 80 Prozent mehr oder weniger stark übergewichtig.

„Vielleicht sollte man die ins Auge gefasste Impfpflicht auf diese Menschengruppen beschränken und das Füllhorn der Impfung nicht über die gesamte Bevölkerung (inklusive gesunde Kinder und Jugendliche) gleichförmig ausleeren. Vielleicht würde so ein Kompromiss die gesellschaftspolitisch aufgeheizte Lage etwas beruhigen, was sicher dringend nötig wäre“, schreibt der Intensivmediziner in einem Leserbrief in den „OÖN“.

"Verwirrte Gesundheitspolitik kennt ihre Zahlen nicht"

Reisinger sieht sich selbst in der Mitte der Argumentation sitzen. Da gebe es zum einen jene, die unbeeindruckt von überfüllten Intensivstationen und hohen Todesraten versuchen, die traurige Realität zu verdrängen und teilweise demonstrativ dem Virus in die Hände spielen.

Auf der anderen Seite eine Pharmaindustrie, die beim Design der großen Impfstudien auf die am meisten durch Covid gefährdeten Menschen im Alter über 75 Jahre weitgehend „vergessen“ habe und „bei der Durchführung der Studien offenbar suboptimal agiert hat, sowie bei den Kaufverträgen für den Impfstoff mit Intransparenz und Kaltschnäuzigkeit vorgeht“, wie der Arzt weiter schreibt.

Apropos suboptimal: Auch an der Politik übt der Mediziner Kritik: „Daneben hockt eine etwas verwirrte österreichische Gesundheitspolitik, die nicht einmal ihre Kennzahlen genau im Kopf hat (und beispielsweise seit Monaten Phantasie-behaftete Intensivbettenressourcen am AGES-Dashboard vorgaukelt), sowie seit Jahrzehnten einer sich entwickelnden Epidemie des Übergewichts (mit allen Folgekrankheiten) weitgehend reaktionslos zusieht, welche durch eine werbepsychologisch trickreiche Nahrungsmittelindustrie mit Unmengen an Zucker, Fett, Salz und einem viel zu hohen Fleischkonsum angetrieben wird.“

Zusammenhänge werden nicht thematisiert

Dadurch wurde aber in gedankenloser Weise der Nährboden für diese Covid-Krise aufbereitet, und wahrscheinlich auch für weitere zukünftige Ereignisse ähnlicher Art. Dieser Zusammenhang sei leider den wenigsten Menschen bewusst und wird bemerkenswerterweise auch nicht wirklich öffentlich thematisiert. Was, angesichts der oben erwähnten großen Gruppe übergewichtiger Intensivpatienten, allerdings dringend nötig wäre.

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