Offenbar darf nun beim Staatsrundfunk schon jeder Mitarbeiter irgendwie seine gesellschaftspolitischen Ansichten in Nachrichtensendungen unterbringen, auch wenn sie noch so schräg sind: Der ZiB2-Moderator Martin Thür griff tatsächlich den bekannten Star-Dirigenten Franz Welser-Möst im Interview an, warum der Radetzky-Marsch beim Neujahrskonzert am Sonntag zu hören sein wird. Thür in der ORF-Newssendung: “Ist der Radetzy-Marsch, der ja zu Ehren eines Feldherren komponiert worden ist, angesichts des Sterbens in der Ukraine das richtige Zeichen?”

Welser-Möst war zwar etwas überrascht über diese Frage, aber antwortete gut: “Das Neujahrskonzert gibt uns allen Zuversicht für das Neue Jahr. Und der Radetzky-Marsch gehört zum Brauchtum Österreichs.”

Star-Dirigent Franz Welser-Möst im Interview mit ORF-Moderator Martin Thür

Radetzky-Marsch war nur einmal nicht bei Neujahrskonzert zu hören

Der bekannte Journalist Christian Ortner, der auch als Kolumnist beim eXXpress schreibt, meinte dazu auf Twitter: “In der ZiB2 wird allen Ernstes erörtert, ob beim Neujahrskonzert der Radetzky-Marsch gespielt werden darf, wenn in der Ukraine Krieg ist. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren …”

Tatsächlich wirkt dieser offensichtliche Wunsch eines ORF-Mitarbeiters, den berühmten Marsch verbieten zu lassen, sehr schräg: Immerhin ist dieser “Armeemarsch II” von Johann Strauss (Vater) bereits im Jahr 1848 zum ersten Mal aufgeführt worden. Und nur einmal, im Jahr 2005, ist diese Zugabe von den Wiener Philharmonikern gestrichen worden: Aus Respekt vor den Opfern der damaligen Tsunami-Katastrophe.

Und der ORF selbst nimmt mit seinem Programm keine besondere Rücksicht auf das Leid in der Ukraine: Am Silvesterabend zeigt der Staatsrundfunk um 20.15 Uhr die nicht wirklich besinnliche “Wir sind Kaiser- die Silvester-Audienz”, dann zwei Kabarettisten sowie auf ORF 2 schon ab 20.15 Uhr die große lustige “Silvestershow” mit Francine Jordi und Hans Sigl, und auf ORF 1 am Sonntag noch vor dem Neujahrskonzert “Servus Kasperl”. Dazwischen sollte aber laut ORF-Moderator Martin Thür beim Neujahrskonzert an den Krieg gedacht werden.

Feldmarschall Johann Joseph Wenzel Anton Franz Karl Graf Radetzky von Radetz lebte von 1766 bis 1858 und war einer der bekanntesten und erfolgreichsten Feldherren der Habsburger-Monarchie.

Der ORF kritisiert den Radetzky-Marsch beim Neujahrs-Konzert - wie sehen Sie das?