Der vorläufige Endbericht der Soko “Tape” des Bundeskriminalamts zum größten Politik-Krimi der II. Republik deckt einen ungeheuerlichen Justiz-Skandal auf: In der ausgezeichnet gegliederten Zusammenfassung, die der eu-infothek.com und dem eXXpress vorliegt, ist auf der letzten der 40 Seiten zu lesen, dass “sich die beim beschuldigten Mirfakhrai sichergestellten elektronischen Gegenstände nicht im Einflussbereich der Soko ,Tape’ befinden. Dazu konnte bis dato keine Auswertung erfolgen”.

Die Experten des Bundeskriminalamtes stellen hier also fest, dass zweieinhalb Jahre (!) nach Beginn ihrer Ermittlungen das Mobiltelefon und die PCs eines der beiden Haupttatverdächtigen im Ibiza-Video-Krimi noch immer nicht ausgewertet wurden – nur deshalb, weil der sogenannte Ibiza-Anwalt Ramin Mirfakhrai “ein Widerspruchsverfahren” beim Landesgericht Wien angestrengt hat. Fazit: Eines der möglicherweise wichtigsten Beweisstücke – Mirfakhrais Handy – liegt seit 2019 versiegelt bei der Justiz . . .

Filmte sich mit einer der versteckten Kameras bei einem Treffen in Wien auch selbst: Rechtsanwalt Ramin Mirfakhrai

Warum lässt die Justiz Mirfakhrais Handy nicht auswerten?

“Natürlich wäre die Auswertung für die komplette Klärung des Falls extrem wichtig”, wundert sich auch Gert Schmidt, der Herausgeber der Aufdeckerplattform eu-infothek.com, über dieses Verhalten der Justiz. So könnten auf dem Mobiltelefon des Anwalts auch Chats mit dem zweiten Haupttatverdächtigen im Ibiza-Krimi, dem mutmaßlichen Drogen-Kriminellen Julian Hessenthaler, zu finden sein. Und sogar gelöschte Mitteilungen könnten sich von Experten rekonstruieren lassen.

Und was noch wesentlich wichtiger wäre: Auf dem Handy und auf den PCs könnten sich vermutlich auch Spuren zu möglichen Hintermännern, zu Finanziers, sowie zu Helfershelfern aus Politik und Medien finden. Doch diese mutmaßlichen Mittäter der Ibiza-Clique können sich weiterhin sicher fühlen: Das Handy des Ibiza-Anwalts blieb nun schon seit zweieinhalb Jahren unangetastet.

Der eXXpress hat den bisher vertraulichen Abschluss-Bericht zu den Video-Ermittlungen des Bundeskriminalamtes

Sofortige Handy-Auswertung bei Ex-Vizekanzler und Kurz-Mitarbeitern

Dieses Verhalten der Justiz fällt wahrlich in die Kategorie seltsam: Immerhin haben Staatsanwälte keine Sekunde gezögert, das Handy von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache am 13. August 2019 zu beschlagnahmen und  sofort auswerten zu lassen.

Auch die Mobiltelefone von den engsten Beratern von Ex-Kanzler Sebastian Kurz wurden von der Justiz eingesammelt. Und der Inhalt wird vermutlich bald von unbekannten Quellen verteilt und wenig später in gewissen Medien auftauchen, wie dies auch mit den brisanten Handy-Nachrichten des Ex-Chefs der ÖBAG, Thomas Schmid, bereits erledigt worden ist.

Die Justiz hat übrigens auch nicht gezögert, bei der Hausdurchsuchung im oe24-Medienhaus sämtliche Handy-Daten des Herausgebers der Tageszeitung Österreich, Wolfgang Fellner, abzusaugen.

Wie die Medienstelle der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) dazu aber feststellt, wurden die Handydaten von Wolfgang Fellner “versiegelt und sofort dem Gericht übergeben”. Damit sei “das verfassungsrechtlich geschützte Redaktionsgeheimnis gewahrt geworden”.

Auch das Handy einer Wiener Unternehmerin und wichtigen Zeugin wurde nicht ausgewertet.

“Dass im Ibiza-Video-Krimi die Mobiltelefone der mutmaßlichen Tatverdächtigen nicht ausgewertet werden, fällt nun schon auf”, kritisiert auch der Gert Schmidt von der eu-infothek.com. So seien auch die vielen Chat-Nachrichten auf den Mobiltelefonen des zweiten Haupttatverdächtigen, Julian Hessenthaler, nicht abgesaugt worden – und sie finden sich auch nicht im Ermittlungs-Akt. Hessenthaler steht noch immer wegen angeblicher massiver Drogendelikte als Angeklagter vor dem Richter, ihm droht eine jahrelange Haftstrafe.

Auch das verschlüsselte Krypto-Handy einer der mutmaßlichen Geliebten Hessenthalers, die ihn wochenlang auf seiner Flucht durch halb Europa begleitet hat, soll ebenfalls nicht ausgewertet worden sein.

Und auch das Mobiltelefon einer Ex-Lebensgefährtin des sogenannten “Ibiza-Detektivs”, die Hessenthaler seit 1996 kennt und eine wichtige Zeugin wäre, wurde nicht ausgewertet: Die Wienerin hat Anfang 2018 den Kontakt zwischen Hessenthaler und Medien-Mitarbeitern für die spätere Veröffentlichung des Ibiza-Videos vermittelt.

Im Sommer des Jahres 2018 hat diese Zeugin laut Bericht der Soko “Tape” die E-Mail-Adresse des Journalisten Bastian Obermayer (“Süddeutsche Zeitung”) an Hessenthaler weitergeleitet, sie wollte damals auch ein Treffen ihres Ex-Lebensgefährten mit dem “Falter”-Miteigentümer Florian Klenk organisieren, dieses ist jedoch nicht zustande gekommen, schreiben die Ermittler des Bundeskriminalamtes auf Seite 23 ihres Berichts.

Interessanterweise wollte die Justiz auch nicht wissen, was auf dem Mobiltelefon einer jungen und schönen Wiener Unternehmerin zu finden sein könnte, die mit Julian Hessenthaler monatelang in engem Kontakt stand – und die auch beim ersten Treffen von Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus und mit der falschen Oligarchin dabei war. Wenige Wochen nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos im Jahr 2019 posierte diese Firmenchefin mit einem neuen Lamborghini Huracan um 284.000 € (siehe Bild). Laut ihren Aussagen war das ein Geburtstagsgeschenk ihres damaligen Ehemanns.

Wann schreitet Justizministerin Zadic ein?

Der nun aufgedeckte, bisher vertrauliche Endbericht zum Ibiza-Video-Krimi zeigt somit: Die Mobiltelefone mehrerer Hauptfiguren in der Planung und Ausführung dieses Politthrillers waren bisher für die Staatsanwaltschaft tabu, sie wurden und werden einfach nicht ausgewertet.

Hingegen wurden zahlreiche Handys von jenen Personen, die aufgrund des Inhalts des Ibiza-Videos ins Visier der Staatsanwaltschaft gekommen sind, knallhart abgenommen und komplett ausgewertet.

Zu dieser Vorgehensweise könnte vielleicht Justizministerin Alma Zadic eine Erklärung liefern – doch die Grüne, die vor ihrem Fraktionswechsel 23 Monate sehr eng mit Listengründer Peter Pilz zusammengearbeitet hat, verweigerte bisher jedes Interview mit dem eXXpress.

Wollte dem eXXpress bisher kein interview geben: Justizministerin Alma Zadic (Grüne)
Aus dem Endbericht zu den Ibiza-Video-Ermittlungen des Bundeskriminalamtes